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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0146
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INeggenüorfers Humoristische Blätter





Lulalia daraushin betrachten, und konnte kaum ein Lächeln unterdrücken:
dieses Gesicht, diese Gestalt — als Friedensengel! lVahrhastig ein dankbarer
Vorwurs sür einen modernen Maler; — aber auch nur sür einen ganz
modernen! Großartig!

Mit lebhaftem Dank, wenn auch mit schlimmen Vorahnungen, nahmen
wir unsere Teller in Tmpfang. Ich konnte mich dabei des Gedankens nicht
erwehren: wenn die Teller wenigstens aus 5ilber oder Gold wären!
Aber sie waren aus zerbrechlichem Porzellan! Gewiß eine gefährliche Vor-
bedeutung für unseren Ehefrieden.

Auf der Lsochzeitsreise vergißt man leicht alles Unangenehme, und
so hatten auch wir bald die fatalen Teller vergessen, was einige kleine Streitig-
keiten bewiesen, die wir uns unterwegs" leisteten. Das xraktische Leben
ist nun einmal keine Romanphantasie von Tante Eulalia, und die wahre
Liebe zeigt sich doch wahrhaftig nicht in der charakterlosen bseuchelei einer
stets übereinstiinmenden Meinung, sondern eben die gelegentlichen Reibungen
halten sie warm.

2o kam es vor, daß Sophie es für notwendiger erklärte, Anfichtskarten
zu schreiben, während ich behauptete, wir sollten die Natur genießen. Ge-
noßen wir aber die Natur, so konnte es ihr einfallen, eine pinie für eine
Lypresse zu erklären, und dabei blieb sie. Das gab natürlich Streit. Später
folgte die Versöhnng, wobei zwar jedes auf seiner Meinung beharrte,
aber die Verteidigung derselben aufgab, um wieder die reine Freundlich-
keit und Liebe leuchten zu lafsen: kurzum es war herrlich!

Als wir nun aber von der lhochzeitsreise heirnkehrten, — da standen
die Friedensteller. !Vie ein stiller Vorwurf standen sie vor uns: wir ge-
rieten in nicht geringe Verlegenheit, hatten wir doch feierlichst versprochen/
sie nur so lange zu benützen, als wir keinerlei Streit gehabt hätten; merkte
aber Tante Lulalia, daß wir jetzt schon auf den Gebrauch der Teller ver-
zichten mußten, so wäre sie imstande gewesen, uns zu stuchen und uns zu
enterben, weil unsere The ihren Idealen so wenig entsprach. Ihren Fluch
hätten wir ja wohl ertragen; dic Enterbung wäre aber doch schmerzlich
gewesen.

!Vir beschlossen daher, die Zeit unserer Lsochzeitsreise als eine überhaupt
ganz eigenartige Zeit, wo wir überdies die Teller nicht gebraucht hatten, nicht
gelten zu lassen, und erst jetzt unsern Lhestand als beginnend zu betrachten.

Tante Eulalia kam, — und sah uns friedlich aus ihren Friedens-
tellern essen.

lVenn nun einmal wieder eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns
auftauchte, sagte meist eines von uns: „ljalt! denke an die Friedensteller!"
und verstimmt kämpften wir die Lust, unsere Meinung zu äußern, nieder.

Aber man kann doch nicht den ganzen Tag und immer nur an sdorzellan-
teller denken! Ia, wenn es noch silberne oder goldene Teller gewesen
wären! Aber sdorzellan!

Und selbst wenn man daran denkt, und die Teller vor Augen hat, ist es
doch rein unmöglich, immer einer Meinung zu sein. Liebe fordert doch vor
allem ein offenes Aussprechen. In der That stngen die Teller an, uns zu
ärgern und nervös zu machen, ja ste drohten uns einander zu entfremden,
weil fie uns zwangen, uns im wechselseitigen Verkehr oft anders zu geben,
als wir eben waren, und es gerne gethan hätten.

Uebrigens konnte es auch, wie gesagt, in einzelnen Fällen nicht aus-
bleiben, daß die Friedensteller ihre kVirkung einfach nicht ausübten; denn
die augenblickliche Erregung spottet oft aller nüchternen Ueberlegung.

So konnte ich zum Beispiel beim Mittagessen die meiner Ansicht nach
harmlose Bemerkung machen: „Liebste, heute ist Dir die Mehlspeise nicht
so vorzüglich gelungen, wie sonst." — „U)as?" rief Eophie aus, „gerade
heute ist sie mir ganz besonders geraten! — „Aber Echatz, ich meinte ja
nur ..." — „Da ist gar nichts zu meinen! lVenn Dir meine Uochkunst
nicht genügt, kannst Du im kVirtshaus essen." — „Da ist doch keine Rede
davon, daß mir Deine Rochkunst nicht genügt, im Gegenteil lobe ich fie ja
immer." — „In der That?! Das ist also ein Lob, wenn Du meine
Speisen mißraten nennst." — „So sagte ich nicht!" -- „So sagtest Du!
Aber natürlich, wenn Du einen genügend geärgert hast, leugnest Du hernach
alles ab, und ich muß noch schuld sein. Den ganzen Tag plage und schinde
ich mich, koche selber aus Sparsamkeit für Dich — und das ist dann der
 
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