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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0062
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58

M e g g e n d o r fe r - B l ä t t e r, B7 ünchen


Da muaßt ihn abluren. Und wann Du 's eahm anbot'n hast,
Deine Auacheln, na rennst, was kannst, und sagst mir's, ob er
umkehrt is oder net. verstehst?"

Die Leni mollte durchaus nicht begreifen, aber der Bauer
hätt' ja alles knrz und klein geschlagen, wenn sie ihm nicht
gefolgt hätte, nnd so sügte sie sich schließlich darein.

Zu der lvabn, seiner hübschen achtzehnjährigen Tochter,
sprach der Schlaumeier folgendes: „tvabn, Du lcgst Dei schöns
Gwandl an, nimmst 's Baserl niit nnd bringst 'm Forstg'hilfn
an großn Aorb volla Budeln. Berstehst? An schön' Grnaß
von mir und die größt' soll eahm im Kals steck'n bleib'n! Na,
dös denkst Dir bloß. verstanden? Ietzt paß' auf. Nacha
thuast, als wenn Du todmüad warst und bittst recht schö, daß
er Enk zwoa a bißl ausruh'n lass'n möchtl Also haltst ihn
anf, so lang als 's geht. verstanden?"

Die tvabn schien angenblicklich begrisfen zu haben. Ihr
ganzes Gesicht leuchtete vor vergnügen, nnd sie versprach ihrem
Vater, daß er sicher mit ihr znfriedcn sein werde. 5ie steckte
nicht nur so viele Nudeln in den Aorb, daß sie zu zweit ihn
kaum tragen konnten, sondern sie legte heimlich noch ein Trumm
Geräuchertes ganz unten hinein.

Dem Baserl abcr band der Bauer es mit besonderem Nach-
druck auf das kserz, seine Tochter ja keinen Moment aus den
Augen zu lassen und um keinen Preis von ihrer Seite zu
wcichcn. Der bsochzoller traute nämlich den kveibern nicht recht
weit, dem Forstgehilfen aber schon gar nicht. Wenn das Baserl
nicht Vbacht gebe, so jage er sie schnurstracks aus dem Lsaus.
Das Baserl, eine ältere, verhuzelte Iungsrau, die der Bauer
um Gottes willen zu sich genommen hatte und als Inventar-
stück bctrachtete, schwor hoch und heilig, daß sie aufpassen werde
wie auf sich selbst und jede Verantwortung übernähme.

Als er solchermaßon seine Vorkehrungen getroffen hatte,
begab sich der lhochzoller in seine Schlafstube, zog dort aus dem
Strohsack seine Abschraubflinte hervor und begann, sie in den
gehörigen Stand zu setzen.

Ls war vielleicht gerade vier Uhr, da kohrte die lhoch-
zollerin mit einem verweinten, puterroten Aopf zurück. Der
Bauer schautc sie so von der Seite an, dann drehte er sich um und
lachte ihr ins Gesicht. „No'," fragte er, „is er umkehrt oder nöt?"

Ietzt war ihr auf einmal der Ukund geöffnet. „Utoinst
denn, i bin deszwegn auf der U?elt, daß i mi herschimpfa laß
von a so an lhungerleider, von so an giftign? Daß er mi net
völli anpackt hat und derschlagn, dös is alles. Da host Deine
Nudeln wieda, am Buckel soll i cahm auststcign damit, hat er
g'sagt. Und nomal wann i mi vor sei'm lsaus sehn laß, wenn
er auf d' Iagd gehn will, na derschießt er mi, hat er g'sagt.
A völliger Narr is er g'wes'n, meiner Seel!"

Der Bauer lachte und lachte, daß er sich den Bauch halten
mußte. „Is er nmkohrt oder net," sragte er dann wieder.

„lVia der Teifi is er 'neig'sahr'n in sei' lhütt'n und 's Thor
hat er zug'schlagn hinter eahm . . . ."

„Gut is ganga," sagte der Bauer, „der laßt mir a Ruah."
Dann begab er sich hinauf, holte sein Gewehr, versteckte es
unter der Ioppe und entsernte sich den Berg hinauf. Und
immer wieder mußte er stehen bleiben, weil er vor lauter
Lachen Seitenstechen bekam.

Ganz anders wurden freilich die wabn und das Baserl
empfangen. Der Forstgehilfe, ein strammer, stämmiger Bursche,
wäre bei einem lhaar dem hübschen Uiädel, aus das er schon
lange ein Auge geworsen hatte, um den lsals gefallen vor
Freude über den gänzlich unerwarteten Besuch. „Ia, wabn,"
sagte er, „dös is aber amol schön von Dir, daß Du glei selber
kummst. I' dank' Dir halt recht sehr sür die Nudeln, und an

solchen bsauf'n a no . ... dös is scho wirkli 'z'viel. Geh Baserl,
nimm jAatz, schenier Di net."

Dann sxrang er hinaus zu seiner lhaussrau und bestellte
einen ordentlichen lhafen voll Aaffee. „Die Thr' müßt's mir
schon anthoan," meinte er, „und müaßts a bisserl an Aaffee
trinka mit mir."

Die lVabn that natürlich, als ob dieser Vorschlag ihre
ewige Seligkeit gefährden würde, ließ sich indessen dennoch
überredcn, nachdem das Baserl ebensalls seine Einwilliguna
dazu erteilt hatte. Der Gehilfe nahm die Nudeln aus dem
Aorb und häufte sie auf einem Teller auf. Iedcsmal wenn
er wieder eine herausholte, empfand das Baserl einen leisen
Stich durchs lherz, denn sie war eine äußerst sparsame nnd sehr
geizige Natur, die sich selber nichts gönnte.

Der Gchilse war natürlich in der besten Laune und unterhielt
die wabn mit allen Sxäßen, die er oft genug schon erprobt hatte.
Lr neckte sie und sie gab ihm sest hinaus und schließlich holte
er noch seine Zither und dann sang er die lustigsten Schnader-
hüpferln, mittenhincin auch ein wehmütiges Lied, bis endlicb der
dampfende Nokka erschien, den er mit vollendeter Ungeschicklichkeit
auf seine Art servierte. Der Bursche schoß drei Vierer hinter-
einander, aber wenn er eine Tasse trug, so zitterte er.

Nun entwickelte sich erst ein rechtes Leben in der Bude.

Sie aßen, tranken und schwatzten, die jnngen Leute, nur das
Baserl hielt sich reserviert. Still und unverdrossen zog sie eine
Nudel nach der anderen aus dem aufgeschichteten Stoße, zu
jedem Schluck Aaffee ein Aüchel, und stoxfte in sich hinein, was
platz fand. wohl fühlte sie, daß sie genug hätte, aber der
Geiz trieb sie immer wieder an, auss neue zuzulangen, bis
sich endlich die natürlichen Folgen zeigten.

Plötzlich wurde sie kreideblsich, knickte zusammen und wand
sich unter deii heftigsten Magenschmerzen wie ein getretener
wurm.

Alles bemühte sich um sie, die lhaussrau kam, es wurde
der Bader geholt, der bedenklich den Aopf schüttelte, und man
war genötigt, die Leidende schließlich in das Bett zu legen.
Die wabn, die mit der heiteren Sorglosigkeit der Iugend sich
nicht viel aus den Schmerzen anderer Leute zu machen xstegte,
schlug vor, nach bsause zu gehen, das Baserl einstweilen ihrem
ja doch nicht gefährlichen Schicksal zu überlassen und einen
wagen zu schicken.

Der Forstgehilfe stimmte ihr bei und erbot sich, die wabn
zu geleiten, weil ihr so zwischen Dunkcl und Siehstmichnicht
doch gar zu leicht etwas begegnen könnte. Aein Mensch
kümmerte sich darum, daß das Baserl, als sie diesen jdlan ver-
nahm, mit ihänden und Füßen dagegen protestierto und un-
verständliche worte herausstieß. Die Wabn sagte nur: „Geh',
wer wird si denn gar so ausführn! Nimm Di halt a bisserl
zammal"

Dann verabschiedete sie sich von der lhausfrau und ging
fort. Der Gehilfe hängte, lediglich zu dekorativen Zweckcn, die
Büchse über, und so zogen sie anfangs schwcigend und etwas
befangen den weg dahin. Als sie aber auf Sehweite vom
Dorfe entfernt waren, legte er kühn seinen Arm um ihre Taille
und.sie wehrte sich nur zum Schein gegen diese ehrbare An-
näherung. wie ein Aind, das sich fürchtet, begann sie leise
ein Liedchen zu singen, in das er init halber Stimme einstel,
allmählich steigerte sich die Lust, und schließlich schmetterten sie
die Töne in die Lüfte hinaus, daß es eine Freude war. Ls
war ein stiller, wonniger lherbstabend. Leichte, schneeweiße Nebel
zogon sich in Flocken wie Frühlingswolken um die Berghöhen
und ein letztes Leuchten der untergegangenen Sonne warf soin
helles Flammenrot auf die fernen Gipfel, die von drüben ins
Thal hereinschauten. Sie stiegen langsam, Schritt für Schritt,
 
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