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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 49.1902 (Nr. 588-600)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16551#0098
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Meggendorfer-Blätter, München

9^



Wandlung.

M)ie träumenden Blumen auf der Au'
Netzte die Nacht init Thränentau;
Doch als die 5onne darüber schien,
Uturden's Demanten und Rubin.

So sanken auch inir ins bserze nieder
Leidesgedank'en über Nacht;

Der INorgen aber wandelt sie sacht

In lichte Lieder. Reiiihnrd Vulker.

Der Liebkaber in iausenö Aengsten!

humoreskc von Richard Seiffcrt.

LIHiele INenschen haben in dcr Liebe schreckliches Pech. tNir
' / / ging es bis vor kurzem anch so. Stets kam etwas

dazwischen, wenn ich der Lrwählten meines Lserzens
die Liebe gestehen wolltc. Es war zum Auswachsen l

Lines Sountags mußte es aber sein, inochte kommen, was
da wollte. Ich gehöre einem Berein an, und dieser unternahm
eine Nachmittagspartie. Frohen Lserzens machte ich mich auf
den weg, denn daß Uäthchen „ja" sagen würde, wußte ich vor-
her, und cine günstige Gelegenheit würde sich gcwiß bieten.

Ich schwelgte schon in der wonne des ersten seligen Ansses.

„Aber Lserr Büttuer, Sie wollen nns ivohl gar nicht sehen,"
ertönte xlötzlich eine Stimme neben mir.

„Gh dochl ich begrüße Sie herzlich, meine verehrten Lserr-
schaften," erwiderte ich sofort, aber unangenehm aus meiucn
Träumen aufgeschreckt.

Es war die Frau Amtsrätiu mit ihren drei Töchtern.
Mo ich die uur auch immer traf! Sie schieuen es auf mich
abgesehen zu haben. Man nahm mich sofort in Beschlag, ich
war innerlich wütend, um so mehr, als mich die Frau Rätin
bat, cin Paketchcn ,anf kurze Zeit' zu halten, welches man mir
aber nicht wieder abnahm, scheinbar, um mich mchr zu fesseln.
Am Treffpunkt angekommen, konnte ich mich auch nicht los-
machen, Aäthchen war bald von anderen Lserren umgeben, und
die Frau Rätin zog mich in ein Gespräch über neueste Aioden.
Nlit den Gedanken war ich aber nicht dabei . . . Sollte Aäth-
chen doch . . . ?

plötzlich tönte ein heiserer Laut an mein Ghri „Um Gottes
willen! Das Paketchen geht ja auf!"

Da lag der Inhalt auch schon auf der Lrde! Lauter Butter-
brote! Tin allgemeines Gelächter entstand; mir war es aber
durchaus nicht zum Lachen. Im Gegenteil! Es war mir fatal,
daß die Frau Rätin sich aus Sparsamkeitsrückstchten die Brote
mitbrachte und ich dieselben tragen mußte. Das Papier war
auch zerrissen! Doch die Frau Rätin wurde nicht verlegen; sie
hatte bald Ersatz für das zerrissene Papier und die einzelnen
Brötchen wurden glücklich mit vereinten Rräften wieder aufge-
lesen und eingewickelt.

„Tin artiger Schwiegersohn," höhnten verschiedene Lserren.
So eine Gemeinheit! Ich hätte sie prügeln mögen, denn Aäth-
chen hatte die Worte gehört und sah sich um.

Der Rest des weges verlief ziemlich eintönig; endlich kamen
wir im Lokal an, und als Belohnung für das Tragen bot mir
die Frau Rätin eines ihrer Brötchen an ,falls ich nichts Besseres
gewöhnt seü. Die anderen kauften stch Auchen. Was sollte
ich thun? Als höflicher Mensch mußte ich mich also mit hin-
setzen. Die Semmel war natürlich trocken, und ich würgte
schrecklich; schließlich hatte ich sie aber aufgegessen.

Der Tanz begann. Wieder Rücksichten! Ich verwünschte
den guten Ton. Die drei ersten Tänze mußte ich mit den
Töchtern der Frau Rätin tanzen, weil es stch so schickt. Lndlich
der vierte Tanz! Doch wo war Aäthchcn? . . . Nicht zu sehen!
Ich mußte sie suchen und bald fand ich sie weinend am
waldessaum.

„Aber Fräulein Aäthchen, Sie weincn ja, hat Ihnen jemand
etwas zuleide gethan?"

„Ich . . ich . . habe . . so schreckliche . . Schmerzeii . , ,
Zahnschmerzen! . . ."

Verteufelte Geschichte! Ietzt war die Gelegenheit da, und
sie hatte Zahnschmerzen. was sollte ich thun?

„lhaben Sie kein Mittel dagegen?"

„Ach, da hilft doch nichts! . . ."
 
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