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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 51.1902 (Nr. 514-526)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16553#0037
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Zeitschrlfl für is>u»lor uiid Aunst

33


,sehr angenehm' klang, aus, und ging, sich um das Gexäck
zu kilmmern.

Gustav versicherte mir — (in Dttos Abwesenheit um
zwanzig Grad glühender), wie er sich gefreut, als er vernom-
men, daß die Gattin dcs neuen therrn Rats seine teure — (hier
kam Vtto zurück) — seine verehrte Freundin sei!

Mich bewegten derweil sehr gemischte Gesühle. Einen
verehrer zu haben, der Leihhausdirektor ist — ist wirklich nur
ein halbes vergnügen — daß er noch — oder wiederum —
mein Verehrer war — das hatte mir der erste Blick gezeigt.
Frauen haben dazu auch nur einen Blick nötig. Andrerseits
ist es immerhin schmeichelhaft, nach zwanzig Iahrenl — noch
ebenso angebetet zu werden, und noch dazu von demselben, der
es vor zwanzig Iahren getan hat.

Unterdessen war das Gepäck geko>nmen — und in Gustavs
tsechtaugen ging xlötzlich ein Freudenfeuer auf.

„Der Starostenmantel!" jauchzte er. „Wahr und wahr-
haftig der liebe, alte Starostenmantell Und wenn ich Sie in
ksinter-Indien getroffen hätte, teure Frau (hier hustete Dtto),
und Sie noch viel stärker geworden wären als jetzt — (hier
hustete Vtto mit wahrer Wonne), in diesem Utantel hätte ich
Sie sofort erkannt."

Ich wurde blutrot vor Aerger; abgesehen von der taktlosen
Bemerkung über meine ,Stärke^ (die sich derartige)klaxxerdürre
Leute a (Lonto ihrer Anochen ja stets mit Wonne leisten) —
welche Frau hätte sich nicht geärgert, wenn man sie nach
zwanzig Iahren an ihre>n Mantel erkennen wollte. Und ich
hatte diesen Mantel doch schon mindestens sünfmal ,modernisierü
seit — Gottl — seit wir ihn als Ainder aus Ulutters Aleider-
schrank stibitzt hatten, um unsere schönsten Sxiele zu sxielen.

Äine KoMlpoliiikerin.

„Mein Gott, diese vielen Selbstmorde aus Lsungerl
aber die Leute nicht lieber ihren Schmuck versetzen?!"

Dann waren wir Aaiser und Aaiserin — oder Starost und
Starostin, und in königlicher Pracht schleppte er hinter uns her.
von einer Starostin sollte der Mantel nämlich wirklich stammen,
deren merkwürdige Schicksale das glühende Interesse unserer
Ainderherzen besaß. Ls war in der Tat ein prachtvoller Ukantel

— mit edlem Pelzwerk ausgefüttert und ausgeschlagen, und
von einem düstern und doch feurigen Rot. Uebrigens hatte ich
so viel um ihn herumgelogen, daß sich ein sörmlicher Sagen-
kreis um ihn gebildet hatte, und ich selbst beim besten NAllen
nicht mehr wußte, was eigentlich Dichtung und was wahrheit
davon sei. Als ich ihn später erbte, war ihm der Name
,Starostenmante? schon so in Fleisch und Blut — oder besser:
Sammt und s)elz übergegangen, daß er nur unter dieser Flagge
segelte.

Ich benützte ihn als Theatermantel. Nun hatte ich mir
eingebildet, kein Nensch merkte, daß er nicht neuester Ulode
sei — dieser Unglücksrabe aber erkannte ihn auf den ersten
Blick nach zwanzig Iahrenl — Wahrscheinlich bekommt man
im Leihhause ,BIiL für so etwas.

Ich erstarrte zu unnahbarer Aühle. Dagegen besserte sich
meines Vttos Laune sichtlich, und wir kanien in schönster
Linigkeit und ganz friedlich in unserer neuen Behausung au.
Daß Vtto beim Lintritt das Rosenbouquet sallen ließ und zer-
trat, sollte wirklich — aber wirklichl — nur ,Ungeschick^ ge-
wesen sein.

Uiein Lserr und Geniahl war alles in allem ein lieber
Aerl — er hatte unleugbar seine guten Seiten. Bloß zwei Fehler
besaß er — die cigentlich anch nur ,ausgeartete Tugenden'
waren. Lrstens dic schon erwähnte Lifersucht. Anstatt stolz
zu sein, daß seine Frau nach sünfzehnjährigcr Lhe noch gesiel
(nota dsns nicht bloß Leihhausdirektorenl) —neinl — gleich
machte er ,Augeiü -— lag auf der Lauer — schnüffelte jedon
Briof aus und betrug sich so lächerlich wie ein liebekranker
Sekundaner. Das war fatal. Lbenso satal war seine über-
triebene Drdnungsliebe, die von mir die xenibelste Buchsührung

— die größte pünktlichkeit verlangte. Lei uns gab es keine
Rechnnngen — bci uns stimmte alles auf den pfennig. Lin
ordentlicheres paar als wir, war nicht denkbar. Tatsächlich
konnte ich die Nacht nicht schlafen, wenn im NArtschaftsbuch
die Rechnung um zwei Pfennig nicht stimmte — gleichgiltig ob
diese zwei Pfennige fehlten oder zu viel warcn. Das war aber
nicht Geiz bei Vtto — nur ,Vrdnung'. Sein beliebter Aus-

^ sxruch ,in meinem lhause ist Vrdnung' war schon
zum Spott und ksohn in unserer ganzen Bekanntschaft
geworden — und am ,vcrhohnepiepeliü sehlte es nicht.
Linmal sitz' ich z. B. mit der jnngen, reizenden <frau
eines Aollegen von Gtto im Salon — da erscheint er,
und sagt mit säuerlichem Lächeln: „Liebe Llse, da
finde ich soebcn in dcr Aüche siebcn Pfennige herum-
licgen. Du solltest wirklich mehr auf Vrdnung haltcn.
Line Kaussrau, die überhaupt Geld herumliegen läßt,
vergißt anch größere Summen — und kurz und gut, in
meinem ksause —"

ksier fiel der Schalk von Freundin ein. „Aber lherr
Rat," log sie frcch und froh, „das ist ja mein Gcld
— hab' mir's zur Straßenbahn parat gelegt, weil es so
läslig ist, die Tasche zu suchen."

„Abcr meino gnädige Frau — das kostct zehn
j?fennigl" bemerkte Vtto etwas sxöttisch.

„Na freilichl" log sie seelenruhig weiter. „Ls
waren ja auch zehn pfennig. Lagen bloß sieben da?
lvarum — achl? — da müssen drei weggekommen sein — viel-
leicht heruntergefallenl"
 
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