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L. M e g g e n d o r f e r s L) u m o ri st i s ch e Blätter.
Auch eine Iagd.
forscher und dem Bergsteiger die besten Winke zu geben
rvustte und sie mit einer Liebenswürdigkeit gab, welche
Iedermann entzückte.
Atir waren heute an seinem Cisch zu vieren: Lr
selbst, ein alter Tras, welcher malte und sich im Psarr-
haus nach einigen romantischen und wildschönen punkten
erknndigen wollte, ein stillschweigender Herr Ztküller
Nitte der dreißiger Iahre und ich. Ber ebengenannte
Herr siel mir durch sein etwas seltsames Benehmen von
Ansang an aus. Lr behielt nämlich im Iimmer den
Hut aus dem Aopf, sprach nichts, ries, als Lpinat aus-
getragen wurde, indem er die Hand vor die Augen hielt,
„schui!" und legte sich kurz nach dem Lssen ungeniert
in das Bopha zurück, wo er in eine Art Halbschlas versiel.
Inzwischen wurde das Gespräch lebhaster und ich
änßerte meine Absicht, morgen aus die Gemsjagd zu
gehen. T>as schien den schläsrigen Herrn zu wecken. Lr
setzte sich aus, fixierte mich eine A)eile schars und sagte
dann etwas schüchtern: „A)enn Lie erlauben würden,
möchte ich wohl als Inschauer mit Ihnen gehen!"
Ich war nicht nnhöslich genug, in dem gastlichen
Hause des Psarrers einein Anderen einen A)unsch abzu-
schlagen, obwohl ich den Nann nicht kannte und er mir
nicht eben den verläßigsten Lindruck machte, und so war
denn binnen einer Minute die Lache abgemacht.
Am andern Norgen brachen wir sehr srühzeitig aus,
als noch der Bämmer der scheidenden Aacht über dem
Thale lag, und kletterten rasch empor. AAil ich aber
bald merkte, daß Müller etwas unsicher stieg und vielleicht
später an bedenklicheren Ltellen eines wachsamen Be-
gleiters bedurste, ersuchte ich ihn, vor mir herzugehen.
Lr sah mich groß an, richtete anch einen sonderbaren
und mir damals noch unerklärlichen Llick aus mein Ge-
rvehr, erfüllte aber dann schweigend meinen Wunsch; nnr
siel es mir auf, daß er seitdem sehr ost umschaute.
A)ir waren eine AAile gestiegen, die Aebel lichteten
sich ganz wenig und ich blieb einen Augenblick stehen.
Lben slog ein Aabe über das jenseitige Gewände und
ich nahm daher meine Büchse an den Lacken, um mein
Auge zu prüsen, natürlich ohne die Absicht, zu schießen.
Nüller, der gerade wieder umsah, stieß einen halb-
lauten Bchrei aus, den ich mir nicht deuten konnte, und
sprang gleich daraus in atemloser Hast einige Lchritte
höher hinaus, wo er hinter einem Helsblock verschwand.
Da ich mir sein Benehmen nicht erklären konnte,
eilte ich ihm nach, dabei das Tewehr noch im Arm haltend;
aber er hatte schon einen gehörigen Vorsprung und lief,
als er mich so herankommen sah, so geschwind er konnte,
eine mäßige Halde hinab.
„A)as haben Bie denn nur, Herr ^küller?" schrie
ich, nun wirklich um seinen Verstand besorgt.
Er blieb einen Angenblick stehen.
„Ach nichts!" rief er zurück. „Ich
glaube, ich habe meine llhr beim
Afarrer vergessen!"
„Aber Lie werden doch deswegen
nicht zurücklaufen!" antwortete ich.
Doch er hatte schon wieder eingesetzt
und rannte davon. T>a ich gewiß war,
daß er sich heillos verirren mnßte und
bei seiner ossenbaren Erregtheit leicht
gar irgendwo abstürzte, gab ich mit
einem herzhasten Auch die Aussicht,
heute noch einen Gemsbock zu schießen,
aus, nahm mein Gewehr über die
Bchnlter und rannte hinter ihm her.
Vst verlor ich ihn aus dem Gesicht;
wenn ich ihn dann plötzlich wieder sah,
stand er wohl einen Augenblick still und
verschnauste; sobald er jedoch mich be-
merkte, lies und stolperte er, so rasch
ihn seine Hüße trugen, weiter abwärts.
Lo trasen wir nach etwa andert-
halb Ltunden, Beide in Lchweiß ge-
badet, wieder im Dorse ein. Als dort
ein Trnpp Holzknechte sich näherte, hielt
Nüller plötzlich an, kam aus mich zu
und reichte mir verlegen die Hand.
„Aber was ist Ihnen denn?" sragte ich ihn sreund-
lich, da mein Unmnt nicht länger Ltand hielt, als ich
den erbärmlich aussehenden, vor Lrmattung schlotternden
lllkenschcn hier näher betrachten konnte.
„Ach," sagte er melancholisch lächelnd, „sehen Bie, ich
schreibe nämlich — Griminalnovellen! Vorgestern nun habe
ich eine zu Lnde gesührt, in welcher der Held meuchlings von
einem Alllderer erschossen wird und da — als ich heute
plötzlich umsah und Lie das Gewehr im Anschlag hielten—"
„Aa, ich danke!" ries ich. „Aber, Herr Nüller!
A)ie kann man nur einem ehrlichen Ghristenmenschen so
etwas zutrauen!"
L. M e g g e n d o r f e r s L) u m o ri st i s ch e Blätter.
Auch eine Iagd.
forscher und dem Bergsteiger die besten Winke zu geben
rvustte und sie mit einer Liebenswürdigkeit gab, welche
Iedermann entzückte.
Atir waren heute an seinem Cisch zu vieren: Lr
selbst, ein alter Tras, welcher malte und sich im Psarr-
haus nach einigen romantischen und wildschönen punkten
erknndigen wollte, ein stillschweigender Herr Ztküller
Nitte der dreißiger Iahre und ich. Ber ebengenannte
Herr siel mir durch sein etwas seltsames Benehmen von
Ansang an aus. Lr behielt nämlich im Iimmer den
Hut aus dem Aopf, sprach nichts, ries, als Lpinat aus-
getragen wurde, indem er die Hand vor die Augen hielt,
„schui!" und legte sich kurz nach dem Lssen ungeniert
in das Bopha zurück, wo er in eine Art Halbschlas versiel.
Inzwischen wurde das Gespräch lebhaster und ich
änßerte meine Absicht, morgen aus die Gemsjagd zu
gehen. T>as schien den schläsrigen Herrn zu wecken. Lr
setzte sich aus, fixierte mich eine A)eile schars und sagte
dann etwas schüchtern: „A)enn Lie erlauben würden,
möchte ich wohl als Inschauer mit Ihnen gehen!"
Ich war nicht nnhöslich genug, in dem gastlichen
Hause des Psarrers einein Anderen einen A)unsch abzu-
schlagen, obwohl ich den Nann nicht kannte und er mir
nicht eben den verläßigsten Lindruck machte, und so war
denn binnen einer Minute die Lache abgemacht.
Am andern Norgen brachen wir sehr srühzeitig aus,
als noch der Bämmer der scheidenden Aacht über dem
Thale lag, und kletterten rasch empor. AAil ich aber
bald merkte, daß Müller etwas unsicher stieg und vielleicht
später an bedenklicheren Ltellen eines wachsamen Be-
gleiters bedurste, ersuchte ich ihn, vor mir herzugehen.
Lr sah mich groß an, richtete anch einen sonderbaren
und mir damals noch unerklärlichen Llick aus mein Ge-
rvehr, erfüllte aber dann schweigend meinen Wunsch; nnr
siel es mir auf, daß er seitdem sehr ost umschaute.
A)ir waren eine AAile gestiegen, die Aebel lichteten
sich ganz wenig und ich blieb einen Augenblick stehen.
Lben slog ein Aabe über das jenseitige Gewände und
ich nahm daher meine Büchse an den Lacken, um mein
Auge zu prüsen, natürlich ohne die Absicht, zu schießen.
Nüller, der gerade wieder umsah, stieß einen halb-
lauten Bchrei aus, den ich mir nicht deuten konnte, und
sprang gleich daraus in atemloser Hast einige Lchritte
höher hinaus, wo er hinter einem Helsblock verschwand.
Da ich mir sein Benehmen nicht erklären konnte,
eilte ich ihm nach, dabei das Tewehr noch im Arm haltend;
aber er hatte schon einen gehörigen Vorsprung und lief,
als er mich so herankommen sah, so geschwind er konnte,
eine mäßige Halde hinab.
„A)as haben Bie denn nur, Herr ^küller?" schrie
ich, nun wirklich um seinen Verstand besorgt.
Er blieb einen Angenblick stehen.
„Ach nichts!" rief er zurück. „Ich
glaube, ich habe meine llhr beim
Afarrer vergessen!"
„Aber Lie werden doch deswegen
nicht zurücklaufen!" antwortete ich.
Doch er hatte schon wieder eingesetzt
und rannte davon. T>a ich gewiß war,
daß er sich heillos verirren mnßte und
bei seiner ossenbaren Erregtheit leicht
gar irgendwo abstürzte, gab ich mit
einem herzhasten Auch die Aussicht,
heute noch einen Gemsbock zu schießen,
aus, nahm mein Gewehr über die
Bchnlter und rannte hinter ihm her.
Vst verlor ich ihn aus dem Gesicht;
wenn ich ihn dann plötzlich wieder sah,
stand er wohl einen Augenblick still und
verschnauste; sobald er jedoch mich be-
merkte, lies und stolperte er, so rasch
ihn seine Hüße trugen, weiter abwärts.
Lo trasen wir nach etwa andert-
halb Ltunden, Beide in Lchweiß ge-
badet, wieder im Dorse ein. Als dort
ein Trnpp Holzknechte sich näherte, hielt
Nüller plötzlich an, kam aus mich zu
und reichte mir verlegen die Hand.
„Aber was ist Ihnen denn?" sragte ich ihn sreund-
lich, da mein Unmnt nicht länger Ltand hielt, als ich
den erbärmlich aussehenden, vor Lrmattung schlotternden
lllkenschcn hier näher betrachten konnte.
„Ach," sagte er melancholisch lächelnd, „sehen Bie, ich
schreibe nämlich — Griminalnovellen! Vorgestern nun habe
ich eine zu Lnde gesührt, in welcher der Held meuchlings von
einem Alllderer erschossen wird und da — als ich heute
plötzlich umsah und Lie das Gewehr im Anschlag hielten—"
„Aa, ich danke!" ries ich. „Aber, Herr Nüller!
A)ie kann man nur einem ehrlichen Ghristenmenschen so
etwas zutrauen!"