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L. Meggendorfers !)umoristische Blätter.
Ter Kadi von Rahira.
„cherr, es sind nun fast drei Iahre,
Daß ich jenein Pilgerzuge,
Der zum Grabe des ^>ropheten
Alle Iahre von hier abgeht,
Mich des Schutzes halber anschloß,
Den er einem jeden bietet,
Gb des gottgefäll'gen Zwecks.
Da, nach etlich Tagereisen,
Herr, verkam uns beim Berg choreb
Line zweite Aarawane,
Die von Ljabeb und Damaskus
Nach Kahira war bestimmt;
Und bei dieser Karawane
war Manasse auch der Iude,
Den ob seines großen Reichtums
Ieder in Kahira kennt.
Raum daß dieser mich erblickte,
Kam er alsbald mich zu grüßen
Und erzählte mir, daß wenn er
Fünszig Unzen Silbers hätte,
Heute noch er „ein Geschästchen",
Lin sehr gutes, machen könnte. —
Wenn er weiter sonst nichts gehre
Gab zur Antwort ich dem Iuden,
5o viel Geld, als er da sage,
Stehe gern ihm zu Gebot.
Und er wehrte sich zwar scheinbar,
Sprach von übergroßer Güte,
Die er nicht mißbrauchen wolle,
Da sie so schon, ungenossen,
Mehr als dankenswert erscheine.
Doch ich ließ mich des nicht irren,
Sondern ging das Geld zu holen
Und auf einem großen Steine
An dem Fuß des Berges Boreb,
wog ich's selber dar dem Iuden
vor zwei alten Handelsfreunden
Die dabei mir Zeugen waren,
Mehr des Brauchs, als Mißtraun's wegen.
Und er dankte und wir schieden,
Ich nach Mekka und Medina,
Meiner Reise Ziel verfolgend,
Lr die große Uandelsstraße,
welche nach Rahira führt.
Lange blieb ich in Arabien:
Der Besuch der heil'gen Stätten,
wo uns der sdrophet geboren
Und wo Ruh' ihm ward im Grabe,
Nahm mich lange Zeit in Anspruch;
Und dann hemmten schwere Arankheit,
chandelsnöten und dergleichen
Sorgen meine wiederkehr.
Also blieb ich fast drei Iahre
Fern der Lseimat, fern den Meinen.
Ietzt, Lserr, ist ein Mond vergangen,
Daß zu ksaus ich wieder weile
Und den Rückstand der Geschäfte,
Der begreiflich hier entstanden,
Thunlichst zu erled'gen suche.
Darum ließ ich dem Manasse
Auch in meinem Namen sagen,
Daß daheim ich wieder seie
Und ihn deshalb bitten lasse,
Mir, was ich ihm angeliehen,
Möglichst bald zurückzuzahlen.
Doch Manasse sxrach zum Boten:
„Geh und sage Deinem Lserren,
N)er mit frechem Munde ford're,
wo er nichts zu fordern habe
Sei ein Schuft vor meinen Augen,
Aber wer Gehör ihm gäbe,
wär' ein ausgemachter Narrl"
Also sagte der Betrüger —
Und er wußte wohl warum?
Denn die beiden bsandelsfreunde,
Die mir damals Zeuge waren,
An dem Fuß des Berges Lsoreb,
Die sind beide längst gestorben
Und beim Grabe des j)ropheten
In der Lrde Schooß versenkt.
Und so hab' ich keinen Zeugen
Meiner Ford'rung an den Iuden,
Als den Stein am Fuß des bsoreb,
Einen großen, stummen 5tein!" —
„N)as hast Du darauf zu sagen?"
Lxricht der Kadi jetzt zum Iuden.
„Daß der Mann da," ist die Antwort,
„Den ich nie geseh'n noch kenne
In Arabien gewesen
Und drei Iahre dort sich aufhielt,
cherr, das will ich leugnen nicht!
Aber was er sonst gesprochen,
Daß er mir einst Geld geliehen
Und ich noch sein Schuldner seie,
Ist vom Anfang bis zum Ende
Litel Lug und eitel Trug."
Drauf der Radi: „Der Beklagte
Leugnet, wie Du selbst gehört hast,
Zadig, Deiner Klage Grund.
Also bleibt nichts and'res übrig,
NAllst Du irgend Glauben finden,
Als daß Du den cinz'gen Zeugen
Beischaffst, der Dir ist geblieben,
Ienen großen stummen Stein!"
Als der Kadi so gesprochen,
Lachte höhnisch auf der Iude,
Als ob das sehr thöricht wär'.
„Nun, was giebt es da zu lachsn?"
Frug der Kadi: „wisse, Iude,
Stumme reden oft gar laut!"
„kserr, nicht Deiner worte lach' ich,
L. Meggendorfers !)umoristische Blätter.
Ter Kadi von Rahira.
„cherr, es sind nun fast drei Iahre,
Daß ich jenein Pilgerzuge,
Der zum Grabe des ^>ropheten
Alle Iahre von hier abgeht,
Mich des Schutzes halber anschloß,
Den er einem jeden bietet,
Gb des gottgefäll'gen Zwecks.
Da, nach etlich Tagereisen,
Herr, verkam uns beim Berg choreb
Line zweite Aarawane,
Die von Ljabeb und Damaskus
Nach Kahira war bestimmt;
Und bei dieser Karawane
war Manasse auch der Iude,
Den ob seines großen Reichtums
Ieder in Kahira kennt.
Raum daß dieser mich erblickte,
Kam er alsbald mich zu grüßen
Und erzählte mir, daß wenn er
Fünszig Unzen Silbers hätte,
Heute noch er „ein Geschästchen",
Lin sehr gutes, machen könnte. —
Wenn er weiter sonst nichts gehre
Gab zur Antwort ich dem Iuden,
5o viel Geld, als er da sage,
Stehe gern ihm zu Gebot.
Und er wehrte sich zwar scheinbar,
Sprach von übergroßer Güte,
Die er nicht mißbrauchen wolle,
Da sie so schon, ungenossen,
Mehr als dankenswert erscheine.
Doch ich ließ mich des nicht irren,
Sondern ging das Geld zu holen
Und auf einem großen Steine
An dem Fuß des Berges Boreb,
wog ich's selber dar dem Iuden
vor zwei alten Handelsfreunden
Die dabei mir Zeugen waren,
Mehr des Brauchs, als Mißtraun's wegen.
Und er dankte und wir schieden,
Ich nach Mekka und Medina,
Meiner Reise Ziel verfolgend,
Lr die große Uandelsstraße,
welche nach Rahira führt.
Lange blieb ich in Arabien:
Der Besuch der heil'gen Stätten,
wo uns der sdrophet geboren
Und wo Ruh' ihm ward im Grabe,
Nahm mich lange Zeit in Anspruch;
Und dann hemmten schwere Arankheit,
chandelsnöten und dergleichen
Sorgen meine wiederkehr.
Also blieb ich fast drei Iahre
Fern der Lseimat, fern den Meinen.
Ietzt, Lserr, ist ein Mond vergangen,
Daß zu ksaus ich wieder weile
Und den Rückstand der Geschäfte,
Der begreiflich hier entstanden,
Thunlichst zu erled'gen suche.
Darum ließ ich dem Manasse
Auch in meinem Namen sagen,
Daß daheim ich wieder seie
Und ihn deshalb bitten lasse,
Mir, was ich ihm angeliehen,
Möglichst bald zurückzuzahlen.
Doch Manasse sxrach zum Boten:
„Geh und sage Deinem Lserren,
N)er mit frechem Munde ford're,
wo er nichts zu fordern habe
Sei ein Schuft vor meinen Augen,
Aber wer Gehör ihm gäbe,
wär' ein ausgemachter Narrl"
Also sagte der Betrüger —
Und er wußte wohl warum?
Denn die beiden bsandelsfreunde,
Die mir damals Zeuge waren,
An dem Fuß des Berges Lsoreb,
Die sind beide längst gestorben
Und beim Grabe des j)ropheten
In der Lrde Schooß versenkt.
Und so hab' ich keinen Zeugen
Meiner Ford'rung an den Iuden,
Als den Stein am Fuß des bsoreb,
Einen großen, stummen 5tein!" —
„N)as hast Du darauf zu sagen?"
Lxricht der Kadi jetzt zum Iuden.
„Daß der Mann da," ist die Antwort,
„Den ich nie geseh'n noch kenne
In Arabien gewesen
Und drei Iahre dort sich aufhielt,
cherr, das will ich leugnen nicht!
Aber was er sonst gesprochen,
Daß er mir einst Geld geliehen
Und ich noch sein Schuldner seie,
Ist vom Anfang bis zum Ende
Litel Lug und eitel Trug."
Drauf der Radi: „Der Beklagte
Leugnet, wie Du selbst gehört hast,
Zadig, Deiner Klage Grund.
Also bleibt nichts and'res übrig,
NAllst Du irgend Glauben finden,
Als daß Du den cinz'gen Zeugen
Beischaffst, der Dir ist geblieben,
Ienen großen stummen Stein!"
Als der Kadi so gesprochen,
Lachte höhnisch auf der Iude,
Als ob das sehr thöricht wär'.
„Nun, was giebt es da zu lachsn?"
Frug der Kadi: „wisse, Iude,
Stumme reden oft gar laut!"
„kserr, nicht Deiner worte lach' ich,