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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 11.1892 (Nr. 92-104)

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https://doi.org/10.11588/diglit.26547#0133
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L. IITeggendorfers !)umoristische Blätter.


gchlotz und D^ütte.

or der chitte hält ein Boß
Und ein Reiter springt zur Lrden:
„Blcnd, komm' mit inir auf mein Schloß,
Sollst des Gaues cherrin werden,

5ollst gebieten, sollst befehlen,

Dutzende zu Anechten zählen!"

Doch vom Rrankenlager her
Seufzt ihr Mütterchen das greise:

„Denk', wie ich verlassen wär',

Lolge nicht der frohen Veise,

Sollst mich pflegen mit nrir beten,

Bis ich vor den cherrn getreten!"

Und er fleht mit süßem Vort
Und sie stöhnt mit heißem Uäunde.
„Zieh mit mir zum Bchloße fort!"—
„Lsilf mir in der letzten Stunde!"

Also tönt's hier süß und minnig,

Also klingt's dort traurig innig.

Und die Ulaid winkt still! „Zieht fort!
Gerne wollt' ich auf Luch bauen,
Nicht weil Güter winken dort —
Gurem therzen mächt ich trauen!

Doch welch' bessere chabe wär'

^lls die Mutterlieb' auf Lrden?

Arm will ich d'rum bleiben, bjerr,

Aber nicht noch ärmer werden!"

^Lnverhofft.

Lustig klangen die Gläser zu-
sammen, und die Btimmung war
eine äußerst gehobene.

Der Regimentsadjutant hatte
nämlich noch 3 Uameraden, außer
ihm die einzigen unverheirateten
Gfstziere des dortigen Uavallerie-
regiments, zu einem kleinen Lrüh-
stück geladen und zwar nicht ohne
tieferen Grund, handelte es sich
doch um das Lebensglück seines
Ulündels, das er, ihrem Vunsche
folgend, nun begründen wollte.

Gr befand sich in einer für
einen Zunggesellen eigenthümlichen
Lage. Sein verstorbener Uomman-
deur hatte nänrlich solche Zuneig-
ung und so festes Vertrauen zu
ihm gewonnen, daß er ihn für den
Fall seines Ablebens zum Vormund
seines verwaisten, noch minder-
jährigen Töchterchens bestimmte,
und als der brave Alte bald darauf
starb, sah sich der noch nicht 50
jährige Gffizier der Thatsache
gegenüber, für das föfähr. Uääd-
chen sorgen zu müssen, was bei
dem Reichtum derselben allerdings
nicht gerade schwer siel.

Beit nunmehr 5 Zahren kam
er in gewissenhaftester weise seinen
vormundschaftlichen Verpflichtung-
en nach, doch konnte dies nicht
verhindern, daß er eine innige,
feste Zuneigung zu seiner 5chutz-
befohlenen faßte.

Als pflichttreuer, charakterfester
Utann hemühte er sich jedoch mit
großer Selhstverleugnung, der
eigenen Gefühle bzerr zu werden,
und suchte sogar dahin auf sein
Ulündel einzuwirken, daß sie bald
heirate. Zu seiner großen Ver-
wunderung ging die Äleine unter
lieblichem Trräten rasch auf sein
Ansinnen ein, gab jedoch in selt-
sam bestinunter Me ise an, sie werde
nur einen Gfsizier des Negiments
zuin Ulanne nehmen.

Vohl fühlte der brave Vor-
mund hei dieser ungebundenen
Lrklärung einen heftigen Stich im
bserzen, doch war er zu sehr Ulann,
um dem eigenen Bchmerze nachzu-
hängen. Lr suchte vielmehr die
Sache möglichst rasch zu erledigen
und hatte zu diesem Behufe die
erwähnte Linladung veranstaltet,
was er nun seinen Aameraden
bekanntgab.

Da die Aleine außer ihrem
ziemlich bedeutenden Vermögen
auch ein reizendes, naturfrisches
Ulädchen war, so war die Virkung
dieser Uäitteilung natürlich eine
kolossale. Zeder der 5 jungen
Gffiziere warf sich mit echtem
Lieutenantsstolz mächtig in die
Brust und war nicht im Zweifel,
daß er der Auserwählte sei.
 
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