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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 12.1893 (Nr. 105-117)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20271#0016
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12

L. Meggendorfers fiumoristische Blätter.

Iochcn hardenbcrgs Ucbcrraschung oder des Neffen Segen.

Fluten der 5aale die Rettiiiigsmcdaille am Baiide zu vei'lcihou
uud mich beauftragt, dicselbe dem Dekoriertcu zu überreicheu.
Lsochachtuugsvoll rc."

Der alte, gute kserr Lmauuel vcrmochte die Dnterschrift
nicht mehr zu lesen, so wässerte es ihm plötzlich in den Augen.
Das Papier zittcrte in seiuou Lfäudcn. „Iunge, Iunge," gluckste
cr thräneulachend, „das ist allerdings ciue aiigonetzme Ueber-
raschung. Du Schwerenöter, zwei sogar auf ciumal, „vr. suris"
geworden uud die Rettungsmedaille dazul Braver Iiiuge!"

Ietzt hätte kserr Lmauuel am liobsten geseheu, seiu „Schwere-
nöter" wäre daheim gewesen und er hätte ihm die Rettungs-
medaille an den Rock heften können. Das gieng nun nicht,
deshalb begnügte er sich damit, das Lhreuzeichen mit heiligem
Lrnst aus seiner Umhülluug herauszuschalen und die Blicke
daran zu weiden.

Zu Vnkel Lmanucls Leidwesen blieb Zochen auch diese
Nacht wieder so lange aus, daß er auf die Freude, ihm die
Ukedaille anf die Brust zu heften, verzichten mußte.

Am folgenden Ukorgen, Schän-Suschen saß in ihrem Stüb-
chen und stickte, trug sich etwas Ungeheuerliches zu. An cincm
der alten UAndenhacken des kfauses, die schon seit vielen Iahr-
zehnten nicht mehr auf- und niedcrgegangen waren, ließ sich
langsam ein Ukann herab. Auf halber ksöhe, und zwar gerade
vor dem offen stehenden Fenster des Zimmers, in welchem
Fräulein Suse von der Berge wohnte, hielt der lhacken an, der
Ukann daran gab sich ein paar leichte Schwünge und balancierte
danach leicht und sicher in das Fenster hinein.

Natürlich gab das vor dem kfause einen ungcheuren Zu-
sammenlauf.

Abcr auch im Zimmcr des Fräuleiu vou der Berge verur-
sachte die Geschichte keinen geringen Schreck.

„Iochen — —!" Fräulein Susc kreischte leise auf und
preßte beide ksände auf ihre plötzlich wild wogende Brnst.

„Ia, Suse," lachte Iochen, „zu deu Treppen darf ich nicht
mehr herauf kommen, da muß ich mit den lvinden herab flattcrn;
denn wenn ich Dich nicht wcnigstens am Ukorgen einmal sehcn
und hören soll, dann ist mir der ganze Tag verdorbeu."

Suse konute vor Schreck kcin U?ort erwidern, sie vermochte
nicht einmal, sich der ungestümen Umarmuug und der Aüsse des
lieben, bösen Iocheu zu erwehren.

Tante Lndmilla hatte auch am Fenster gesessen. kvährend
Zochen seine schreckensbleiche Suse in den Armeu hielt und
ncckisch zärtliche kvorte in ihr Ghr flüsterte, wurde sie anf die
Ukenschenmenge unten vor dem ksause aufmerksam, sie öffnete
das Fenster, sah den kvindeuhackon vor Suses Zimmer lustig
im kvinde baumeln und hatte nichts Liligeres zu thun, als dort-
hin zu stürzen. „Diebe, Ulärderl" Das waren die furchtbaren
Gedanken, die ihr Flügel vcrliehen. Und nun, die Thüre öffuond,
dio zu Suses Stübchen führte, sah sie — den Taugenichts, dem
sie gestern erst ihr Gebiet zu betrcten untersagt hatte, keck und
frisch stehen, die Nichto im Arm und-.

Das war zu viel für Fräulein Ludmillas zarte Nerven.
Ulit einem leiseu Aufschrei sank sie zu Boden.

„Iochelchen —I liebe, liebe Tante-1" Suse riß sich

aus Iochens Armen los, und dcr stand einen Augeublick da,
wie Gänse, wenn es donnert, dann rief er lant: „Jch hole den
Vnkel, Susel" und rannte zur Thüre hinaus, die Treppe hinab.

bferr Emanuel trat ihm schon im Aorridor entgegen. Auch
er war durch den Ulenschenauflauf auf den omiuösen Ivindcn-
hacken aufmerksam gemacht worden.

„IVas ist denn los, Iunge?I"

„Die Tante stirbt, Gukclchen, flink, flinkl"

„Dummes Zeug, so leicht stirbt die nicht l" Iudessen — trotz
des spöttischen Tones, in welchcm er es rief, eilte er die Treppe
mit einer Ihast hinan, die der des Neffcn gleich kam.

Fräulein Ludmilla lag noch an dcr Lrde, als beide ankamen,
bleich, bewnßtlos, das lhaupt von Suses bsäuden gestützt.

„DhumLchtigl Flink etwas Hau äs LoloZns, Ulädchenl
bsabt wohl so etwas im Ifausel" herrschte Liuanuel diejammcrudo
Suse au, hob Ludmilla empor und trug sio auf ein Rnhepolster,
„und Du rufst Trine Ulüller, flinkl" befahl er Iochen. Suso
war schon fort nach Lkiu äs LoloZns. Iochen rannte hinaus,
nach Triue Ulüller zu suchen, während Vnkel Emanuel zärtlich
um Ludmilla bemüht war.

Als beide eiuige Ulinuteu später zurückkehrten, saheu sie
Vukel Lmauuel neben Lante Ludmillas Ruhepolster kuieen uud
ihre lhände mit Aiissen bedeckeu, Taute Ludmilla aber blickte
mit zärtlichcm Lächcln auf deu Vukcl hin und flüsterte: „Du,
Lmauuel, Du bist endlich hier?"

„Ia, Ludmilla, Du süßo, liebe, eudlich, eudlichl" — Suso
uud Iochen blieben hinter der PortiLre stehen, von heiliger
Scheu gebannt.

„Aber nun bleibe ich auch bci Dir für alle Zeit, meuu
Du-"

„V, Lmauuel — was werdcu die Ainder sagen?I"

„Ivo die nur bleiben, ich hatte sie —" Iochen und Suse
traten hervor.

„kfier das lüuii äs LoloZus, Vnkolchenl" rief Suse.

„Und meinen Scgen habt Ihrl" lachte Iochen, indem er
Tante Ludmilla hcrzhaft küßte uud dann des altcn Gnkels Aopf
in seine Ihände nahiu. „Aber ich erbitte mir auch deu Lurigeu
dafür, fiir mich und inoine Suse, damit ich nicht wiedcr die
Luftreise nötig habe."

Gukel Lmanuel und Taute Ludmilla wurden bald ein jdaar,
sie zogon in das Unterhaus hinab. Das Vberhaus wnrde für
Iochen und Suse rcstauriort, die sich heiraten sollen, sobald
Iochen Assessor ist. Da aber, wo im Lrdgcschoße die Lurcaur
der altcn Handelsfirma waren, haben sich Trine Uiüller und
Fritze Schwart zu ehelichem Frieden niodergelasscn. Als sie
sahen, daß dic Feiudschaft ihrer boiderseitigen lherrschaften nur
verstellung gewesen war, kamen auch sie zu der Lrkeuutuis,
daß sie sich schou lauge Zeit im Stilleu liob golGbt.

Line tollo kvirtschaft in dem altcu Aanfhause, nicht wahr?

Warrmr finö öie Zcöra's gestreifi?

Sanz einfach! weil die Neger, diese schwarzen Rerl's,
immer ihre schmutzigen Kinger an diesen armen Cieren
abmischen!
 
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