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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 13.1893 (Nr. 118-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20270#0022
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^8

L. ?17 e g g e n d o rf e r s u in o r i st i s ch e Blätter.

Das sonöerbare Kirrö.

„Ich rvill gern versuchen, mich ganz der Lrziehung des
Uindes zn widmen."

„Gntl — noch einige wichtige Fragenl waren Sie schon
einmal verlobt?"

Sie ivurde ganz rot und zögerte wieder rnit der Antwort.

„Bitte I ich mnß es wissen."

„Nein."

„Aber verliebt waren Sie schon?"

„Ach Gott l"

„Bitte offenbaren Sie mir Allesl Ich mnß wissen, wievicl
Sie bereits von Ihrem bserzen vergeben haben, wieviel Liebe
Sie noch fiir das betresfende Aind nbrig behalten haben. Sie
sollen eben dem Ainde Alles sein."

„2lber das Aind hat doch noch Llternl"

„Die Lltern können lcider dem Ainde nicht das sein, was
5ic ihm sein sollen. Also nochmal: ,ll?aren Sie bereits vcr-
licbt, haben 5ie irgendwelche Liebesverhciltnisse gchabt?'"

„Ich habe wohl
manchen hiibschen

jnngenlllanngesehen, /

den ich gern geheiratet ,, ^ ^

hätte. Eigentlich ver- ^

liebt war ich noch nie, ' .>..

habe daher anch noch ^ ___^

kein verhältnis mit »ck'f,

einem lherrn gehabt." ^ I -

„Gnt, können
5io kochen?"

„Ia."

„5chön! — Sie
sehen sehr nnterneh-
mend ans, Sie s cheinen
sehr lebenslnstig zn
sein."

Sie senszte leise.

„Ia, ich bin sehr
lebonslnstig, aber das
Leben ist manchmal
recht sauer."

„lVürden Sie sich
den Launen eines
etwas verzogenen
Aindes siigen
können?"

„ksm! wenn es
gewiinscht wird. Aber
ich — "

„Ich verstehe.

Sie wollen sagen, ein Aind dürfe keine Lannen haben!"

„Ia."

„Das ist richtig. Aber das Rind ist eininal verzogen. Sio
mnßten sich erst in das vertrancn desselbcn einstehlen, ihm znerst
immer, ivenigstcns scheinbar, zn lVillen sein nnd es dann nach
und nach dnrch Liebe zn bengen und Ihren Ansichten gefiigig
zn machen suchen. lVürden Sie das können?"

„Ich würde versnchen es zn können."

„So — damit wären wir sertig!" — lvann können Sie
die Stellnng antreten?"

„Sofort."

„Und wie lange würden Sie dieselbe behalten wollen?"

„Nun, so lange, bis mich die Lltern entlassen!"




„Die Eltern dos Aindes würden Sie nie entlassen. Ihre
Stellung soll für's ganze Leben sein!"

„Für's ganze Leben?!"

Sie sah ihn mit großen Augen an.

„Ia oder nein?"

„Ach, da müßte ich erst mit ineinen Angehörigen sprechen!"

„Ich muß sofort Bescheid haben, mein Fränlein!"

„Aber wenn ich mich nnn 'mal verheiraten möchte?"

„Das dürfen Sie aber nichtl Sie müssen Allcm entsagen
nnd nnr diesem einen Mesen leben! lVollen Sie?"

„Aann ich denn das Aind nicht erst sehen?"

„Jawohl, das kann geschchen. lvir können sofort nach
dem Landsitz der Eltern Ihres zukünftigen Schützlings fahren
nnd da können Sie sich dann entscheiden. Linvcrstanden?"

„Gnt, warten Sie einen Augenblick, ich bin gleich reisefertig I"

lferr Seeger verließ das Lomptoir, um nach wenigen
llliiiuten znm Ausgang gerüstet, zurückzukehreii.

„So, iinn können wir fahrenl"

Sie verließen das lhans nnd bestiegen vor der Thüre eincn
Pferdebahnwagen, welcher dirckt nach dem vororte, in dem das
betreffende Landhaus lag, fuhr.

Nach nngefähr Ho lNinntcn waren Sie am Ziel.

lherr Seeger half seiner Damo ans dem lvagen nnd führte

sie dann, nachdem sie

noch einige Schritte
gegangen, dnrch einen
großen, gut gcpflegten
vorgarten nach dem
einfachen aber gut
erhaltenen Landhäus-
chen.

Anf dem lVege
zum lsause stellte
lserr Seeger an einen
alten Gärtner, welcher
in dcm vorgarten be-
schäftigt war, einige
Fragen, aber so, daß
die junge Dame weder
die Fragen noch die
?lntworten hören
konnte.

„Die ljerrschaften
sind ausgefahren,
werden aber bald zu-
rückorwartet," wandte
sich dann lserr Seeger

wieder an seine Dame.

„So — nnd das llind?"

„Nachherl Bitte erholen Sie sich nnr erstl"

Sio giengen um das lsans hcrnm nnd nahinen dann auf
dcr erhöht liegenden Voranda hintcr dem lsanse Platz.

„Reizendl" rief die junge Dame, als sie von ihrem Platz
ans einen Blick über den großen, herrlichen Garten hinter dem
lhause schweifen ließ.

„Nicht wahr, hier ist es schön?"

„Ia, himmlischl"

T>er Gärtner brachte Brot, Butter und kalten Aufschnitt,
auch zwei Flaschen lvcin.

„Bitte, Fräulein pohl, bedienen Sie sich l" bat lserr Seeger.
 
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