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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 13.1893 (Nr. 118-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20270#0040
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Meggendorfers u m o ri sti s ch e Blätter.

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den Du mit Iir schleppst?" — „2ch bitte Iich um alles >
in der A)elt," entgegnete Ionas, indem er sich langsam
hinter der Typsgruppe vorwärts schob, — „mach' nur
hier unten keinen Apektakel; ich meine gerade, ich bin iir
ein Aarrenhaus geraten! A)as wird denn das sür ein
Plunder sein? es ist das lachende und das weinende
Aind, zwei Eypsfiguren, die ich zusälligerweise im
Tasthause gewonnen habe, und jetzt laßt mich hereiil!"

Nun jetzte sich der lZug in Bewegung. Lr bot in
in der That ein seltsam abenteuerliches Bild. vorne
schritt die Eattin Ionas', an Eestalt und Niene zeigend,
daß sie surchtbar ausgebracht sei; hinter ihr trippelte der
ersrorene arme Nüske, die zwei Rinder aus den Zchultern
tragend, direkt an diese schloß sich die Nläscherin. Der
ganze verhängnisvolle Rondukt empfing seine Beleuchtung
durch die Rerzen der verschiedenen Inwohner, welche,
durch den Lpektakel aufgeweckt, mit brennenden Lichtern
in der Hand vor ihren Chüren sich aufgestellt hatten.
Bo zieht eine mit einer ungeheueren Nkasse Llektrizität
geschwängerte Aletterwolke am Abendhimmel dahin. —
2n der Alohnung Nüskes entlud sie sich. — T>er Ainder-
besitzer hatte eine Eardinenpredigt zu bestehen, die ihres-
gleichen suchte.

„Schlemmer, Bösewicht, pflichtvergessener Eatte,
Hazard- und Lotteriespieler, verletzende Lhrsurcht gegen
den alten reichen Tnkel —" u. s. w. tönte an Ionas'
Thr, aber er zog die Nachtmütze sest nber die Khren
und vergrub sein edles Haupt in den Rissen, so daß er
bald gemütlich einschlummerte.

Ä)ie alles in der A)elt ein Lnde nimmt, so auch
die Ltraspredigt des gereizten Weibes, das immer keifend
und brummend, endlich doch entschlief. —

Ionas träumte süß vom edlcn Rheinwein im roten
Ztachelschwein — eben hielt er einen vollen Pokal in
seiner Hand, wollte ihn an seine Tippen setzen und
trinken. .... Ta weckt ihn plötzlich ein greller Schrei
aus dem süßesten aller Traumgebilde: — mnhsanr ringelt
er die Augenlieder auf — an seiner Leite steht die ha-
gere Eattin mit zornfunkelnden Augen im Nachtgewande
und läßt einen zweiten und dritten Angstruf erschallen.

„Auf!" schreit sie dem Lrschrockenen in's Thr —
„auf!" denn es muß ein neues llnglück geschehen sein;
„hast T>u das Eepolter und das Brüllen im anstoße'c rn
Aimmer denn nicht vernommen, tauber Mehlsack?" —
Nüske kroch
schwerfällig aus
dem Bette,
während s '

,,bessere(?)"

Hälste Licht
machte, und so
eilten sie denn
der Ltelle zu,
wo aus der
Nebenstube der
Lärm erschollen
war.

Eötter! —
welch' ein An-
blick bot sich
dem erstaunten
Paare dar! —

Ta lag der Tnkel, der wohlgenährte, hoffnungsvolle,
hingestreckt aus dem Boden, in einem Neste von weißen
Eypsscherben. Halbzerschlagene Arme, abgebrochene
Beine u. s. w. der zwei llinder bedeckten seinen Leib!
— Ein zerbrochener Kinger des lachenden llindes hatte
seine A)ange blutig gerissen und in seinen Armen hielt
er den Numpf des weinenden llindes!

Nit Niihe hob man den am ganzen llörper beben-
den East aus den Trümmern der Thongebilde empor.

brachte ihn in die Eaststube auf sein Lager und vernahm
von seinem Nund die Lnthüllung der schrecklichen llata-
strophe. 2ndem der Vnkel behufs einer Landpartie
zeitlich aus dem tzause wollte, und dies vergaß amAbendzu
sagen, wünschte er seineHausleute hievon noch zu verstän-
digen und hatte deshalb sein Bett in der Taststube ver-
lassen; da er kein Licht sinden konnte, tappte er im Tunkeln
in das anstoßende Eemach. Da hemmt auf einmal in
der Nitte der Ztube ein Eegenstand seine Zchritte; er
faßt ihn an, um ihn bei Beite zu schieben, gerät aber
dabei in's Achwanken, er will sich halten, aber der aus-
giebige llörper sindet daran keine Btütze, sondern sinkt
famt den rätselhasten Gbjekten jählings, krachend und
polternd zu Boden. Ls war nichts anderes als die zwei
verhängnisvollen llinder, welche den Vnkel zu Kall ge-
bracht hatten. — A)as nun über den schuldlosen llr-
heber dieses llnfalls erging, läßt sich wohl leichter denken,
als schildern.

Zwei Tage später reiste der im Halle der zwei
llinder beschädigte Tnkel wieder ab; — zwei Iahre
später reiste er in die Lwigkeit. Im Cestamente setzte
er seine alte Wirtschasterin zur llniversalerbin ein; der
alten Nüskeschen Kamilie vermachte er nichts als zwei
alte Eypsfiguren, Eoethe und Zchiller darstellend. —

Das, was nach diesem Lrbresultate über den schon
so gequälten Nüske erging, läßt sich abermals leichter
denken als beschreiben; aber nach dem Erzählten läßt
es sich leicht erklären, warum Ionas Nüske jedesmal,
wenn so ein Eypssigurenhändler in die NArtsstnbe tritt,
ganz blaß wird und ihm im höchsten Iorn zuruft:
„Lcher' Tich zum lluckuck mit Teinem elenden, nichts-
nntzigen Zeug, sonst werde ich T>ir Beine machen!"

Aissig.

„5ie gehen dicses Iahr nicht in's Leebad?"

„Nein, ich nolnne zn kjaus Salzbäderl"

„Aber die ersetzcn doch den Aufenthalt nichtl"

„Ganz und garl tvenn ich im Bad sitz', les' ich die Rech-
nungcn vom vorigen Iahr durch uud da meiu' i ch, ich
sei im Seebad'."
 
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