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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 13.1893 (Nr. 118-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20270#0065
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L. INe g g e n d o r f e r s l) u m o ri st i s ch e Blätter.

6i


sahen die drei: dcr (Larreaubnbe lachtc noch srechor, der kserz-
bube senszte noch lautcr mit scinen Augen, nnd der Blick des
alten Landsknechts wurde
nach tiefer, noch unergrnnd-
licher, noch trauriger. Dann
aber sabcn sie auch, das; die
Danre die linke ksand anf's
täerz preßte. tlnd da der
Larreaububc fiir tragische
?luftritte kcin verstcindnis
hattc, so kehrte er zu Karl
dem Ncuntcn zurück.

Nnterdcssen redete der Tresfbnbe feurig nnd cindringlich anf
dic Dame cin. Lr, dcr crste Trnmpf, der Stern des Spiels,

liebte die Larreandame nnd
war bercit, all seine therrlichkcit
dahinzugebcn, wcnn sie mit
ihm fliehen wolltc. lvohin?
Das war gleichgiltig. Nur fort
aus dem 5piel, wo ein cwigcr
tvcchsel sie auscinandcrriß,
wenn sie sich kaum gcfunden,
sie an dic Soite des langweiligcn
piqnckönigs und ihn zur kokettcn lqerzdame schobl Nur fort
von hier! tvenn doch ein Windstoß das Fenster öffnen wolltc
und sie beide hinauswirbclte, hinab auf die Straße, in die Gossc,
gleichviel, wenn sie nur beisammen blieben.

Aber sie blieben liogcn und wie cin grauer lsimmol senkte
sich die Traurigkcit auf sie herab, wie auf die drci Buben, die
nichts mehr von Aarl dem Ncunten hörcn mochten, wie auf die
Uönigo im Lril.

Schon zwei Tage lagen sie so da, einc fiirchterlich lange Zeit
fiir cinc Spielkarte, dercn Iugond so bald vorbci, dercn Glanz
so bald abgegriffon ist. Nnd vordem war es so schön gewesen.
Abend fiir Abend hatten drci tltcnschen nm den runden Tisch
gcsessen, der Baurat mit dcr langcn Pfeife, Grotc, sein lioblichcs
Töchterchcn, und der blonde Arthnr Rebling, Bautechniker,
Bräntigam und Schwiegersohn. Und ruhclos waren die Aarten
von lsand zu lqand gegangen, unermiidlich hatte das „lherzsolo!" —
„ksab ich." — „piqnesolo!" — „Auch das." — durch das Zim-
mer geklnngen, eine cintönigc Ulusik, aber von unendlichem
Nciz snr oinen cchtcn Spieler und cine tüchtige Spiclkarte, dic
etwas auf ihrcn Bcrnf hält. Zwar so ganz ohne gehcimc Tcidcn
war cs nicht abgegangen. lsatte doch manche Aartc cinon em-
pfindlichen Aniff von Grctcns zarten Fingcrn erdulden müssen,
war doch manche von ihr mit rücksichtsloser lqärte auf die Tisch-
platte geworfen wordcn — dcr alte Piquekönig, dessen Gesnnd-
heit schon iiberdios zu wünschen übrig lioß, spiirte noch heute
seinen breiten Rückcn — donn Grete Lrgcrte sich, daß ihr
Bräntigam stets gewann. Nicht daß sie ihm sein Glück goneidct
hätte! Das war es ja gerade, daß cr seine Lrfolge nicht dom
blinden Glück vcrdankto: sein vortreffliches Spiel cmpörte sic.
Denn daß cr vortrefflich spielte, bcwies, daß er häufig spieltc.
Gestand cr doch mit schamloser Vffcnhoit ein, daß cr eifriges
Utitqlicd eines Skatklubs war, und der Skatklub ist doch der
sicherc Ncrderb des kiinftigen Lhemanns. ljatte ihn doch schon
jetzt das Laster derart nmstrickt, daß er ihm sogar hier,
in ihrem ljauso, cinen fliegcndcn Tempel aufschlug. Nicht
genug, daß cr den lcichtsinnigon jdaxa unter ihren Augen verführt
hatte, zwang er sie selbst teilznnehmen an den Grgien, die er
scinen Götzen vcranstaltete; cr mißachtete so schr ihre weibliche
lvürde, daß or sie zum dritten lltann degradicrte. Ls war
gräßlich. Und das Gräßlichste war, daß sie sich zwingcn ließ.
Mie oft hatte sie sich schon vorgcnommen, ihm diesen schmählichen

Frohndienst anfznkünden — ja, wenn er nur nicht so unwider-
stehlich hätte bitten, so hinroißend HLtte schmeicheln können.
Aber sie rvollte nicht länger schwach sein, das Maß war voll,
sie spielto nicht wieder mit, sie that es nicht, nein! nein l nein! —

Diese Redo hatte sie oftmals still für sich gehalten nnd die
kleinc Fanst unter der Tischdecke gcballt. vorgestern abcr hiolt
sie sie wirklich laut, doch erst, als cr fortgegangen war. Als
der Papa sich gähncnd seine Rerze anziindetc, ergriff sie das
unsclige Aartenspiel und sich aufrichtend, sagte sie: „Papa!"

„Aind?" Dcr Baurat drchte sich um und sah oino Iungfrau
von Grlcans vor sich.

„Wcißt du, was ich beschlossen habe?"

„Nein."

„Nic mehr mit Luch Aarten zu spielcn." Und damit flog
das Aartenspiel anf dcn Nähtisch. Da lag es noch.

Der hclle Zorn war bald vcrrancht und machte einer tiefenNieder-
^ geschlagenhcit j?latz. Dann kam der neue Tag und mit ihm trat ein
abermaligcr Umschwung ein. Der Zweifel regto sich, dcr U?ider-
streit im eigenen Innern begann, dcr Utädchentrotz rang mit der
^ Liebc. Dicses Gefecht daucrte bis zum UUttag und endigte mit
^ der vollständigen Niederlage dcs Trotzes. N)cnn er kommt, will sie
ihm in's Ghr flüstern: „Diesen Abend verplauderst du mit mir, nicht
wahr? Nicht spiclen, bitte I" Dcr Papa braucht es ja nicht zu hörcn.

Da brachte der jdostbote ein Billet von ihm: Daß er not-
gedrungcn verrcise und sie erst morgcn Abcnd wiedersehcn könne.

UAeder ein trostloser Abcnd, eino kummcrvolle Nacht, ein
stürmischer Morgen, und der zweite UUttag sah seinen noch
glänzendcren Sieg der Liebe.

Um drci Uhr nachmittags fnhr dcr schlummernde Liebeshof
dcs kjerzkönigs auf. Grete trat in's Zimmer. Dor jdiquekänig
fuhr mit beidcn kjändcn nach scincm Rücken. Die kjerzdame
rcckic ihro kccke Nase in die kjöhe wie ein Iagdhnnd, der Bente
wittcrt, und der lhorzkönig cntwarf im Flugo cin Ulanifest, das
cr bei scincr Rückkchr in scin Reich bekaunt zn geben gedachtc.

Und sie kam wahrhaftig anf den Nähtisch zn. Lin eigcn-
tümliches Lächcln spielte uni ihren Uiund. Lntschlosscnheit nnd
verschmitzte Lnstigkeit lagen darin. So sieht eincr aus, dcr sein
Geheimnis hat. Sorgfältig suchtc sie allc Blätter zusammcn.
Der Treffbubc konnte scine Dame nmarmen. Dann zählte sie —
dcm Trcffbubcn blieben die Licbesworte im Uiundc stecken — nnd
nnn bcgann sie zu mischen. Dcr Treffbube fand gerade noch
Zeit, der Tarreaudame die kjand zn drücken, dann flog die
rqcrzdamc an scinen kjals. Ls wurde Nacht uin ihn.

(Schluß folgt.)

Neue Zchaukel.

„wie sich dcr vater von scinen Aindern als Schaukel ver-
rvcnden läßt.
 
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