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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 13.1893 (Nr. 118-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20270#0086
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82

L. Meggendorfers Humoristische Blätter.

Lin

„Ah, die Baronin vedi . . . ihr intimster Umgang . . .
eine Dame, die ihres Taktes halber bekannt ist . . . dann
allerdings mnß es wahr sein . . . kennt man den Beneidens-
werten?". . . Die regelrechte Tcmversation hatte ein Lnde —
man ergieng sich in dem erwähnten winkclchen, wirr durch-
einandersxrechend, in allen möglichen Vermutungen. —

An der Thürcinfassung, den Damcn dnrch die jaxanische
Wand verborgen, hatte ein junger llkann gelehnt und war auf
diese Weise unsreiwilliger Zeuge dieses Gesxräches geworden.
5ein bloiches Gesicht war noch um einen Schatten blasser
geworden und schmcrzlich mnrmelte er vor sich hnn „Mahr
also, wahr! Aerstört mcine schönsten Träume, mcine tlluse
wendet sich von mir!" — Tr wollte allein scin; cr
wandte sich einem kloinen, matt erleuchtcten Tabinete zn und
ließ sich dort in einen Fauteuil sinken, um das für ihn so iiber-
raschend Gekommene nur einigermaßen in sich zu verarboitcn.

Tr mochte ein paar iNinnten so gesessen habcn, als plötzlich
eine woiche, wunderbar melodische 5timmo an sein Ghr schlng:
„Nnn, das muß ich sagen, die kserren wcrden immer galanter . . .
5ie, edler illaestro, tretcn hier oin, machen sich's begncm und
ignorieren mich Aermste dabei in einer lDeise ..."

IVie von einer Feder geschnellt fuhr der jnnge Tomponist in die
lhöhe, verwirrt stammelnd: „G, gnädiges Fränlein von Remden ..
5ie vorzeihen . . . die Beleuchtung . . . ich bin »utröstlich . . ."

„Na ja, schon gut, edler illaestro, da kommen 5ie nun aber
her und nnterhalten 5ie mich von etwas Bernünftigem, dencn da
draußen bin ich, ihres schrecklichen Gcschwätzes wegen, entlaufen."

„Daß 5io das aber gerade hente thnn, gnäöiges Fränlein,
deii Glückwünschen pstegt mau doch nicht anszuweichen? . . ."

„G lnckw ii n s chen? lvie kommen 5ie darauf?"

„Nun, ich »reine, man wird Ihnen eben zu Ihrer N cr-
lobung gratulieren wollen" und schmerzlich setzte cr hinzu:
„wie ich das hiemit thnel"

Fräulein von Remden brachte dnrch eine rasche Fächcrbo-
wegung ihr Gesicht noch mehr in den 5chatten und sandte auf ihr
Gegenüber einen priifonden Blick, dcm ein erwartungsvoller und —
als von lverden, der junge Tomponist, ohne fortznfahren, wieder
vor sich hinstarrte — cin lcichtes Aopfschütteln nnd 5eufzen solgte.

„Aber kserr von Worden, wio kommen 5ie mir denn heutc
Abend vor . . . 5io scheinen zu loiden?" sagte sie endlich.

„5ehr!" Ts war ein voller Blick, der Fräulein von Remden aus
Ulerdens Augen traf und der sie jäh erröten machte, so daß sio den
Fächer noch tiefer auf ihr Antlitz senkte „sohr!" wiederholte Werden.

„Warum denn aber, hat man Ihnen wehe gethan?"

„5ehr!" entgegnete er zum Drittenmale, dann senkte er
den Aopf in die ksand und suhr eintönig fort: „5ehen 5ie,
gnädiges Fräulcin, da war einmal ein junger iNusiker, von dcm
man behauptete, or habe Talent, der aber trotzdem nicht recht
zur Goltung zu kommen vermochte — bis er eines Tages eine
Dame der Gesellschaft kennen lernte, eino Danie, schön wie der
Lngel des sdaradieses, und mit einer 5timme von bezaubcrndem
Liebreize ... er hatte das Glück ihren Gesang begleiten zu dürfen ...
ja, sie sang seine eigenen Lieder . . . er hätte nie geglanbt, daß ein
!1iensch dem andern s o nachfiihlen könne, wie sie es gothan . . .
sie sang mit der 5eele nnd — — der jnnge Musiker hatte von
diesem Abcnd an einen Namen. 5ie können sich denken, gnädigos
Fräulein, daß er sie verehrte wie eine lheilige, daß all' sein
5trebcn dahin gieng, sich ihrer wiirdig zu crwciscn; er wagto sich,
durch sie angcspornt, an cin größeres lverk, von dem cr heuto
crfuhr, daß es zur Auffiihrung angenommen, er träumte schon
davon, daß, wenn er einst berühmt geworden wäre, er vor
seinem Idcale auf die Uniee sinken und ihm sagen würde . . ."

„Nun?" drängte Fräulein von Remden mit gepreßter 5timme.

„Nun?", entgegnete der junge Lomponist, der wieder sehr
bleich geworden war, indem er sich langsam erhob, „nun,

Fräulein von Remden, or muß sich jetzt eben zurecht finden . ."
dann fnhr er, nach einer klcinen Pause, leidenschaftlich fort:
„V, gnädiges Fräulcin, ich bitte, ich beschwöre 5ie, sagen 5ie
»ür, wer ist der Glückliche, der 5ie errungen hat?"

Aeine Antwort, nur ihre rascheren Atemzüge konnte er
vernehmen — sie war, seiner >Neinung nach, auf das Tiefste
übcr seine Aiihnhcit entrüstet — mochte es immerhin scin; er
wollte sich die Brust frcisprechen, mochte daraus entstehen was
da wolle! Tr bcgann daher auf's Neue: „Ich weiß es wohl,
daß ich, wenn ich weiter spreche, mich Ihnen ferner iinmöglich
mache, aber licber Ihren lhaß als Ihr iNitleid . . . ja, Fräulein
von Rcmden, ich habo sie vom ersten Augenblick an nnendlich
geliebt und liebe 5ie noch nnd werde 5ie ewig, ewig, lieben"
. . . „ewig, cwig," wiedorholte er noch oin paar tNale mit
tiefer Leidenschaft, wobei er ihr einen Blick zusandte, wic wonn
er ihr liebes Bild für immer in sich aufsaugen wollte, um mit
einem halberstickten „lebcn 5ie wohl" zu schließen und sich zum
Gehen zu ivonden,

Fräulein von Rcmden hatte, als die Braut einos ?lndern,
den leidenschaftlichcn Ausbruch von lDerdens, wio wir gesehen,
außerordentlich standhaft ertragen; sie war ihm rveder mit einem
„halten 5io ein, mein lherrl" in die Rede gefallen, noch hatte
sie — was sich in diesem Falle noch besser macht — mit einem
niederschmettcrnden Blicke das Gcmach ,ranschend' verlassen —
nichts von alledem, sie saß noch ebenso graziös in den Fauteuil
geschmiegt, wie vorher nnd wäre es nur hellrr und ihr Fächer
nicht gewesen, so hätte man auf ihrcm piirpurüberhauchten
Gesichte die höchste 5eligkeit lesen können , ja als der
junge Loinponist gehen wollte, da glänzte es feucht in ihren
?lngen auf, der Fächer sank, und sie rief ihn sogar zurück.

„lherr von worden!"

Lrstaunt wendete sich dieser ihr wiedor zu: „Fräulcin von
Remden?"

„Bitte, setzen 5io sich hieher — ich möchte nnn auch
Ihnen eine Geschichte erzählcn ..."

Zögernd kam er näher und ließ sich ihr gegenüber nieder.

„Die Geschichte, welche ich Ihnen erzählen will," begann
Fräulein von Remden, indem sie wieder 5chutz hinter ihrem
Fächer suchto, „hat sehr viel Aehnlichkeit mit der Ihrigen, Lserr
von Remden. Tine junge Dame lernte nLmlich einstens einen
sungen Aiusiker kennen, dessen Bcnehmen, ja sein ganzes 5ein
in grellem Gegensatzo zu dem aller ihr bis jetzt bekannt gewor-
denen jungeir kserren stand. 5eine Gomütstiefe, seine eigentüm-
liche Zartheit und die Noblesse seines Ivesens, sowie sein ideales
5treben sagten ihr außerordcntlich zu, so zu, daß sie, die so
unabhängig als möglich war und daher frei über ihre kjand
verfügen konnto, auch gar nicht anstund, den ehrenhaften jungen
Mann nierken zu lassen, daß er ihr genehm sei."

Non Werden wollte hier Frciulein von Remden stürmisch
unterbrechcn, eine abwehrcnde Bewegung ihrerseits ließ ihn
jodoch nicht zu Morte kommen; sie fuhr, nach einem tiefen
Atemzuge, tapfer, wenn auch stockend fort: „Die junge Dame
sah seine Zuneigung zu ihr . . . seine Liobe . . . auch sie . . .
auch sie ... aber es vergiengen ein — zwei Iahre, er sprach
noch iminer nicht ... da mußte sie denn schließlich denken
sie habe sich doch getäuscht . . und so kam's daß . . daß . . ."

„M ich Thor, den nur seine Rnbedeutsamkeit abhielt . . .
verloren . . . verloron . . . ich ertrage es nichtl"

Fräulein von Remden ließ ihn eine Meile toben, als er
aber ruhiger geworden war, bcrührte sie mit dem Fächer seinen
Arm und sagte, halb demütig, halb schalkhaft: „Nerzeihen 5ie
mir — ich habe ein tlnrecht an Ihnen begangen, jenes o» äit?"

„Mie, verstehe ich 5ie recht?" fuhr er empor und riß den
5chirm von der Lampe, uin ihr in die glänzenden?lugen sehen
zu können und als er den eigentümlichen Blick sah, mit dem
 
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