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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 13.1893 (Nr. 118-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20270#0090
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86

L. Meggendorfers ^umoristische Blätter.

Der Iausenthee. *)

Bei der Familie Schnatterle
Ist heute großer Iausenthee.

Schon harrt der jdoldi ahnungsvoll
Des Guten, das da kommen soll;

Da merkt er, in dem Gugelhupf drinnen,
5ind linkerseits zu viel Rosinen
Und achtet es sür seine jdflicht,

Zu streben nach dem Gleichgewicht.

Und deutlich spricht der Tante Blick:
„Der Bub verdienet sein Geschick."

Der Dater sitzet still und stumm;

Trinkt wenig Thee mit sehr viel Rum
Und wie er nicht mehr trinken kann,
So kommt auch ihn das UUtleid an.
Laßt mir den Poldi jetzt hereinl
Und nächstens soll er braver sein!

Indeß des vaters strenger Blick
Schreckt ihn vor weit'rem Thun zuriick,
Nun weil verwehrt ihm der Genuß,
bvird jdoldi jetzt ein Ukusikus
Und trommelt mit der Nesserspitze,

Den Schlachtenmarsch des alten Fritze.
Doch siehe dal bei dem Finale
Zerspringt die schöne Kaffeeschale.

Doch sieh, bei Thee und Butterstollen
Legt sich der Seelen sinst'res Grollen
Und in der Weiber zartem Busen
Beginnt das Ulitleid zu ramusen.

Die Großmama, vor Allen weich,
Ulacht sich zu thun im Uüchenreich;
Und was die Iacke zugedeckt,

Das hat dem jdoldi gut geschmeckt.

Papa, der Ulusik nicht versteht,
Sperrt ihn hiefür in's Aabinet.

Darauf, nach w.enigen Ukinuten
Bekömmt die Tante Nasenbluten
Und muß hinaus; doch scheints nur so;
Indessen ist sie anderswo.

Das Beste aber allerwärts,

lvar, ist und bleibt das Ulutterherzl

Und jdoldi sieht mit leerem Ulagen
Den süßen Thee vorübertragen.

N?ie greist das doch die Nerven an,
kVenn man so könnte und nicht kann l
Indeß er hier nnn einsam lauert,
wird um die Schale drinn getrauert;

Und Poldi merkt zur selben Frist,
Daß Ulusikkunst nicht brodlos ist.


Lin wesen, das so sanft und klein,

Will liebevoll behandelt sein! —

Dem Poldi geht ein Aerzlein aus,

Er läßt den Thränen freien Lauf;

Der vater aber denkt: „Bho l"

Und greift nach bjut und Paletot.

Aaum ist er aber aus dem lhause,

Setzt Poldi sich zur vierten Iause. Kozian.

Der Poldi macht ein ernst Gesicht
Und rührt an Thee und Bretzeln nicht;
Der Vater aber, schlecht gelaunt,

Ist über solches sehr erstaunt.

Ich will nicht hoffen, daß ihnrwer —?
Li, das ist stark I wir bitten sehr l
Sieh dal Natürlich! Seht nur anl
Nun sind wir wieder Schuld daranl
'S ist weiter nichts als Bangigkeit
vor Dir und Deiner Grausamkeitl
 
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