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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 13.1893 (Nr. 118-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20270#0096
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92

L. INeggendorsers Lsumoristische Blätter.


orwcirtungsvoll den Bogen, in dem sich das Tier besinden sollte.

Am gespanntesten anf das Resnltat war der kscrr Amts-
richter Uollmann, denn ichn gehörte die vor knrzcm erst gopachtete
Iagd.

„Menn sich nnr kinbcr nicht geirrt hat," dachte er, denn
Mldschweino gab es in diescm Teil der jdfalz nicht, und wenn
es eines war, konnte es nur cin verlaufenes sein. Der Iagd-
hiiter hatte ihm abcr gesagt, das; das Schwein das halbe
Kartoffelfcld des Banern Aasxar umgewühlt hätte. Ls mußte
sick bald entscheiden, donn jetzt begann der Trieb. Schon kamen
die Trciber näher nnd der Amtsrichter hegtc bereits gerechte
Zweifel, denn ein Schwein hält nicht so lange im Bogen ans;
aber horch, was ist das?

Ls knackte nnd krachte im jungen lholz, Zweige knicktcn,
Aeste brachen, rasch nähort es sich nnd da — -fo Schritte seit-
wärts rennt ctwas Schwarzes iibcr den kveg in das driibcn
befindlichc Dickicht. Vem Amtsrichtor kloxfte das lferz gewaltig,
er riß das Gewehr an die kvange
nnd fonerte in dcr Richtung, die
das Ticr gcnommcn hatte, dann
eilte er nach, um zu schcn, ob er
gctroffen.

In solchen Fällen wird nun
allerdings in der Regel nichts ge-
troffon und wenn ausnahmswcise
doch, dann gewiß nicht das ge-
wiinschte kvildpret; dicsmal aber
war es anders — da lag wirklich
ein kaxitaler Aeulcr, der seine
200 Pfnnd wicgen mußte. Dancbcn
stand der Iagdhiiter nnd priiftc
aufmerksam den Zlnschuß; „Das
war ein Aernschuß, lherr Amts-
richter, anf's Blatt geschossen,"
sagte er frcudig erregt.

Der Amtsrichter trante feincn
Augen kaum, aber es war kein
Zweifel, da lag dcr Eber, den er
geschossen nnd dazu anf feiner
eigenen Iagd l Nnn kamen auch
die Iagdgäste und beglückwünschten
ihn mit meist schlecht verhohltcm
Neid, doch trösteten sie sich mit dem

Iagdtrunk, der üblicher weise folgen mußte, nnd der siel
auch allen wiinschcn entsprechond aus, denn der Amtsrichtcr
hatto Glück gchabt, war in rosigstor Lannc nnd in Folge
dessen sehr freigebig. Lr traktierte nobel und wenn die
Sache auch ciwas kostete, so hatte cr ja dafür das starke lvild-
schwein. Lr wurde natiirlich als lheld des Tages gehörig ge-
fciert, und, je mehr er trank, für eincn nm so besseron Schützen
hielt cr sich; die wenigsten Menschen haben ein Mldschwein im
freicn Znstand gesehen, er hatte das Lrsto gleich erlegt, oin
stolzes Gefühl beseligte ihn: ja das Leben ist doch schön l

II.

Immcr kann natürlich die Sonne nicht schcinen: zn kjanse
angelangt, begann die prosa dos Lebens wieder in ihre Rechte
zn treten. Der lherr Vbcrstaatsanwalt war nnvermutet dagc-
weson, nm das Amt zu inspizicren; natiirlich, solche kjerron
kommcn stcts dann, wenn man einmal nicht da ist. Nun trat
auch die Fragc heran, was mit dem Schweine eigentlich geschehen
sollte; er schickte daher des andern Morgens zu dcn beiden
Gastwirten des Städtchens, allein die koünten nur so wenig


brauchen, daß er nicht wagen dnrfte, dasselbe zu zerlegen, denn
was hätte er mit dem Nebrigen angcfangen? Ls blieb alfo
nichts iibrig, als es in die nächste Stadt an den kvildprethändler
zn schicken. Dabei gab es aber die crsten Differenzen mit seincr
Gattin, denn es war nngliicklicher lveise Bügeltag und seine
Fran beklagte sich ernstlich darüber, daß er das Dienstmädchen,
welches zn kjause so notwendig soi, mit scinen Iagdangelegen-
heiten so viel in Tlnsprnch »ehme. Gereizt erwiderto er, daß
er os ja nicht zu seinem vergniigen in der Ivelt hernm schicke,
so gab ein Ivort das andere und os kam zn einer jcnor bekann-
ten häuslichen Seenen, wo sich Iedcs in seinem Recht und
gekränkt glanbt.

Lndlich war das Schwein aus dem lhanse und Alle atmeten
anf, allcin die Frende danerte nicht lange, denn schon nach
zwei Tagen war, o Schrecken, das Schwein wicdcr da I Der
lvildprethändlor erklärte, er könne jetzt im ksochsommer ein so
großes Tier nicht brauchen, zumal cr schon gcnng auf Lager

habc. Der Amtsrichter hatte iibcr-
sehen, als er die Iagd pachtete, mit
einem kvildprethändler wegen
Liefernng des kvildes einen vertrag
abznschließen nnd dieses versehen
rächte sich jetzt bitter.

Nun war abcr Gcfahr im
verzug: „Rann man denn das
Nnglücksschwein nicht los werden?"
senfzte er, nnd schickte cs schlennigst
in die Areishanptstadt mit einem
Schreiben an den dortigen lvild-
prethändler, worin er ihm mittcilte,
daß cr als Iagdpächter wegen der
Lieferung des Ivildprets demnächst
cinen für ihn gewiß vorteilhaften
vertrag abschlioßen wollc, aber cr
möge ihm den Gefallen thun nnd
ihm dicscs Schwein jetzt abnehmcn,
cr gcbo cs ihm nm jeden preis.
„8ie trrmsit glorin mnnäi" dachte
er bedauernd, war aber herzlich
froh, als das Schwein nnn end-
giltig aus dcm lsanse war.

Am andcrn Tag brachte der
Iagdhüter, der anch zngleich Flnr-
eine Forderung des Banern Rasxar wcgen
Mldschadens im Betrage von zwanzig Mark, denn das Schwein
hatte seinen Aartoffelacker stark umgewühlt. Line zweite For-
dernng von nicht vicl weniger stellte der Bauor kjamann wegcn
Flnrbeschädignng, da die Iagdgäste und Treibcr sein Kornfeld
zertreten hatten. Der Amtsrichter, dor es nicht auf eine Rlage
aiikommon lassen wollte, ziimal er wohl wnßtc, daß or als Iagd-
pächter gcsetzlich verxflichtet sci, sür angcrichtetcn Schaden auf-
zukoinmon, befriedigte die Geschädigten und bemerkte dabei
ärgerlich: „Unter solchcn Umständen wäre es bald besser gewesen,
wonn ich das Schwoin nicht geschossen hätte."

Nun konnte auch der Iagdhütcr nicht länger an sich halten,
denn das Gcheimnis drückte ihn längst: „lherr Amtsrichter"
sagte cr, „wenn es nur das ist, kann ich Sie bcrnhigen: lvir
Beide haben nemlich s. tsmpn geschossen, getroffen aber habo
ich die Sau, was Sio hätten am Zlnschnß sehen können, denn
mein Gewehr schießt größeres Ualiber als das Ihrige, anch lag
das Tier auf der mir zugewendeten Seite."

„tvas," sagtc dcr Amtsrichtor, „wenn es so ist, warnm habt
Ihr mir das nicht gleich gesagt?"

schiitze war,
 
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