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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 14.1893 (Nr. 131-143)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20272#0067
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L. rNeggendorfers yumoristische Blätter.

Der Npparat memes schwiegersohnes.

Humoreske von Hansi Roda.

I^^erein I

/ f lZch hatte dies „herein" etwas nnwirsch gernfen.

/ Kein wunder. Zn den nnangenelnnsten Dingen der
welt gehört es, beim Arbeiten gestört zu werden.

„Bcnnbenelenient — ist der ritnnn vor dcr Tstnre tnnb?"

Ls xocht wieder.

„kserrrrein!! l"

T>ie Thiire öffnet sich eine Spanne wcit, ein frcnndlich
lächeliider, äußerst elegant gekleideter lserr strcckt inir die Lsand
entgegen: „G bitte, Lferr Doktor, bleiben Sie nnr sitzen. Ivollen
Sie sich nicht im Geringsten iukommodieren. Gnten Tagl"

^sch fiihle das Bediirfnis, ineinem Besucher dcn nnwirschc»

Ton, mit dcm ich ihn empfangen, abznbitten nnd ersnchc ihn
so warm und höstich, als es ineine Dmstände erlanbcn, Platz zn
nehinen.

Tr sctzt sich mir vis-n-vis in den Fanteuil und beginnt
folgeiidermaßen: „Ich bcdanre sehr, Sie gestört zu haben, lherr
Doktor. Sie stndieren vielloicht eine verteidignngsrcde, die Sie
mit der nur Ihnen eigenen klassischcn Llocpienz ..."

„Gh, ich bitte, der Mahrheit die Thre! — Mt der nnr
Ihncn eigenen Lloqnenz den Richtern vortragen wcrden, odcr
eine Alagschrift von jcner Sorte, dic Ihre goängstigtcn Gegnor
dnrch die lvncht der Griinde nnd die Finessen Ihres bcrühintcn
Stils zu Boden schmcttern wird."

„Darf ich Sie, niein lherr —?"

„Nach mcinem Bcgehr fragen? Sie haben Recht, Lherr
Doktor, mich daran zn orinnern. Ilteine Lobspriichc langiveilcn
Sie — Sie hören desglcichen zn oft, Sie, dcr geschätzteste Rechts-
anwalt, den das Land je sah. Uebordies ist Ihre Zeit gcmessen.
Alicnten stürmen Ihr Bnreau, dcnn Ihnen vertrant jederinann
mit rnhigein Gewissen seine Sache an.

„Und was wünschen Sic?" frage ich nin zwanzig Gradc
Reanmur kalter.

„Dcr langcn Rede knrzer Sinn ist Schwcigon!" fährt der
Unerinüdliche fort. „Sehen Siel"

Tr greift in die Tasche nnd entrollt mit dcr Geschwindig-
kcit eines Ionglenrs ein ganzes panoraina von Photographien
anf meinem Schreibtische.

„Und was solls dainit?" Ich werfe eincn Blick auf dic
Bilder: „Zankende Ukeibcr, Fischerbaracken, springende P>ferdc,
eine deeolleticrte Dainc, Uinder, ein Schloß, Bänme, Felsen,
eine Straßensccne ..."

U?ie er sieht, daß moinc Angen cinc Secnnde lang an dem
Album hangen, frägt er süß schmeichelnd: „lvollen Sie oiiicn
Ainatenrapparat kaufen?"

Dch werfc einen Blick anf die Thiirc, cinen zwciten anf
meine Akten und während ich mit der Linkcn seine Rartcn sachtc
wegschiebe, greife ich mit der Rechten nach dcr Feder.

Lr legte die ganze lherrlichkeit klappernd znsaminen nnd
statt sich, höflich wie er gckoininoii war, zu cmpfehlen, pochte
er an der Thüre, die zum Burcau meines Schwiegersohncs
führte.

„Du inußt gleich hineingehen," sprach ich nun in Gedanken
zu inir selbcr, „nnd Mtto, den Narren, abhalten, einen Apparat
zu kaufen. Das fehlte ihm eben noch! Doch vorher beende
ich diesen Absatz."

Das gelang inir abcr nicht. Gtto, mein Schwiegersohn,
erschien nach kanm zwei UUnuten freudestrahlend in der Thürc,

nm mir zn verfichern, daß cr sich von nnn an mit dem edlen
Sport des Photographierens beschäftigen wolle. Ljinter ihin
abcr ftand ernst nnd wiirdig dcr clcgante Ulann, den Bejtellbricf
kopicrend.

lvas don Uostenpnnkt anbclangt: „zwcihundcrt lUark ijt
für cin so niitzlichos Utöbel nicht zn vicl. Ivie?"

„Otto, ich hätte mir dicse große Ausgabe nicht gcstattct,"
ineinte ich beschciden.

„Ie nnn, Dn hast auch keinen so reichen Schmicgcrpapa!"
erividertc cr flüchtig nnd gab dann dem Agcnten scin Bcgehr an.

„vorerst also senden Sie mir den Apparat mit — — mit
etwa fiinfhnndcrt Pllattcn ..."

„Aber ... I"

„Na — nnd ein Pfnnd Lhlorgold," nnterbrach inein
Schwiegersohn dio Linivendungen.

„Albnminpapicr — dapon dürften tansend Blatt vorlänstg
genügen. Dn inußt wissen, jdapa, daß vali voranssichtlich
mitthnn wird beiin Lichtbildnern. Die Themikalicn, die man
sonst noch brancht, werden Sic dann sclbstverständlich nicht vcr-
gessen."

Zwci Tagc später war Alles da. Um mir seine Liebe zn
beweisen, nahm mich mein Gtto noch a»i selben Tago anf nnd

brachte mir schon am
Uiorgcn darnach das


- ^

Bild. Ich wandto es


hin nnd wandte es her


nnd sah mich iin Spiegel

an nnd erkannte mich


nicht. Uebcr meinc

Schultern aber blickte


vali, Gttos trcue The- '


hälfte, dio Uiitvcrschwö-
rerin gegen die Uasse


ihres leiblichcn vaters nnd flötete hcnchelnd: „für den Anfang
ganz wunderbar! Die Zlehnlichkeit ist nicht zn verkennen."

Uebrigens mnßte ich noch einnial „sitzen": Btto hoffte, ein
„noch schöneres" jdorträt herstellen zu köiinen. Anch in ganzcr
F'igur wollto cr mich vcrewigen. Leim Dincr sprach die ganze
Familie von nichts andcrem als voin Nntzc» des „Zn-lhansc-
Photographicrens". vali war nnverfroren gcnug, zn behanptcn,
inan könne dadnrch einc Ukcnge Gcld ersparen. Ich widersprach
energisch. Nach einer hcftigen Debatte, in der vicrstellige Zahlcn
cine große Rollo spielten, kam die Ukajorität dahin überein, das
Photographicren sei zwar in der That kcin Lrsparnngsiiiittel,
abcr eine änßerst aninsante, schönc nnd belehrende Beschäftignna
für einen, dcr „den ganzen Tag" im Burean sitzen mnß. Durch
diesen letzten Satz fiihlte sich Gtto schr mit Unrecht getroffcn.

Lr hatto abcnds die Genugthiinng, inir
meine zwei nenestcii Bilder überreichen zn
könneii. Da das einc davon nur cinen kleinen
Teil incines Antlitzes wiedergab, wnrde der
Ankanf eines größeren
Apparates in.ernste Lr-
wägung gezogen. Das
Bild aber, das inich in
ganzcr Figur darstellte,
gestel allgemein. Daß
ich mich anch da nicht
erkannte, wnrde meiner Unrzsichtigkeit zn-
geschrieben. Ls sei wirklich vortrefflich.
 
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