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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 14.1893 (Nr. 131-143)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20272#0081
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82

§. e g g e n d o r f e r s !) u m o r i st i s ch e Blätter.


AIs dasselbe nach knrzer Zeit beendet war, zogen sich die
Preisrichter an ein besonderes Tischchen in die Lcke zurnck,
nm die Spieler nach ihren Gewinnsten einzuteilen.

Endlich verknndete der Bbmann des Preisrichter-Aolleginnis
unter lantloser Stille das Rcsultat dcs wettschiebens. Und nnn
kani ciner nach dem andern an die Reihe, jeder grisf rasch zu,
was ihm zunächst lag.

. . „Zohnter jdreis, kjerr Assessor chnber!"

Asscssor thnber, ein jnnger Mann von einnehmenden
Maniercn und heimlicher Vcrchrer dcr jiingstcn Rrotschmann-
schen Tochtcr Alotildc, einer licblichen Blondine, ging gemesscnen
Schrittes an den Besttisch, nahm bald dieses, bald jonos jdaket
in die lsand, wandte sich aber dann knrz um nnd schritt direkt
auf die große Aiste zn.

Lin lantes lhalloh der Bersammeltcn ermnnterte ihn zn
diesem Schritt, von allen Seiten rief man ihm „bravo!"
„bravo!" zu.

„Anfmachen!" sagte lhnber rnhig, die Rechte anf die Kiste
legcnd.

lhammer nnd Stemmeisen waren bald znr 6and, und so
wnrde denn der Deckel auf allcn Sciten langsam gclockert. Dann
faßte ihn 6nbcr niit einem kräftigcn Uandgriff und riß ihn in
die lsöhe ....

„Ach, Gott sci Dank!" sagte tief anfsenfzend ein liebliches,
fcines Stimmchen, und nnter einem lvuste von Seidenpapier
erschien ein blonder Ulädchenkopf mit hochgeröteten lvangen,
lachend die weißon Iähnchen zeigcnd, nnd gleich daranf die
ganze, anmiitige Gestalt der reizenden Alotilde.

„Bravo! das ist cin köstlicher Spaß! Sehr gut, ljcrr Aretsch-
mannl Gott, warnm habe ich nicht die Aiste genommen!
Gnten Abend, Fränlcin Alotilde!" so scholl cs wirr durch-
einander.

„Alotildchcn, mcin herzigstcs Best, so hat mich meinc
Ahnung nicht betrogcn!" jauchzte er nnd sührte sie liebkoscnd
zu Tische.

„Linnial — und nicht wieder — habe ich diesen Spaß
mitgcmachtl Das ist ja eine entsetzliche Bnal, eine Stnndc in
solcher Aistc zuzilbringcn I"

„Und nnn habe ich sie gewonnen, kjerr Aretschmann," sagte
kjiiber, den Arm Alotildens in seinen legend, „ich sollte eigent-
lich gar nicht mehr uin sie bitten. Nur nm es mit Ihnen
als Schwiegervater nicht zu verderben, bitte ich Sie nm Ihren
väterlichen Segen zn nnserer Vcrbindung I"

Aretschmann schiittelto seinem Schwiegersohne in sps herz-
lich die thand nnd versprach seinon Segen mit Rncksicht ans
die außergcwöhnlichcn Umstände in Form eines halben kjoktoliters
spenden zu wollen.

„Dn loichtsinniger Schwiegerpaxa, du," schmollte lhuber^
„wenn jetzt ein anderer vor mir die Aiste gcwonnen hätte, was
dann, he?"

„Nun, dann hättest dn halt mit ihm getanscht!" sagte
Aretschmann lakonisch und faltete eifrig das der Aiste entnommene
Soidonpapier zusammen.

„Silentium I" schallt nnn wicdcr die mächtigo Stimme dcs
Präsidenten, nnd nachdem der allgemeine Lärm sich allmählich
gelegt hatte, steigt er anf cinen Stnhl nnd sagt: „Uteine
Uerrenl" Das jdrcisrichter-Aollcginm hat in der Frlage, wem
es den Lhrenprcis von zehn Utark siir das originellste Best zu-
erkennen soll, keinen schwierigen Standpnnkt gehabt. Das origi-
nellste, schönstc nnd herzigste Bcst ist nnstreitig Fränlein Alotilde
Aretschmannl"

„Bravo I bravo I Sie lebe hoch!" crschallt es begcistert von
allen Seiten.

„Uteine tserren!" sährt der Präsident fort, „indcm ich den
Lhrcnpreis unserem mnrdigen vereinsmitgliede, ljerrn Rodcrich
Aretschmann, nberroiche, ernbrigt mir nnr noch, Sie einznladen
Ihr Glas zn erheben nnd mit mir anzustoßen anf die glnckliche
Nerlobnng nnseres Frenndes, Assessor lhnber, mit Fränlcin
Alotilde Aretschmann I Sie leben hoch — hoch — hochl"

Freudig stimmten die Alnbgenossen ein. Line animicrte
Unterhaltnng folgte nnn, und erst am granenden Utorgen ver-
ließen die beiden letzten, lhofer nnd tvilly, das Llnblokal.

„weißt willy," sagt
lhofer, am Arme des Frenn-
des nach kjause torkclnd,

„eigentlich ist Arctsch-
in ann doch cin Filz! was
hat ihm das Best gckostet?

Nichtsl Uebcrdies bringt
cr zehn Ulark und einen
S ch w iege rs o h n heim I Der
Tonsel hol' üiese speknlativcn
Philister I"

„Recht hast!" erwidert
lallend willy. „)ch meiner-
- s eits trete a iis d em A l n b,
sonst bringt Aretschmann
uächstcns seine Aelteste
in ciner Aiste — nnd ich gewinn' sie!"

„Und dann tauscht Niemand mit Dir!" sagt ksofcr
nnd zieht mit schwcrer lhand die Alingcl beim Thore ihrer
gcmcinschastlichen wohnnng.

Äicdankensplijtcr.

Znsriedenc Uienschen können stets als reich bczeichnet werden,
reiche dagcgen selten als znfrieden. M. E.

viele stcllen sich in dcn Schatten, nnr nm sich von andercn
an's Licht ziehen zn lassen. M. E.

wer haßt, bestiehlt sich solbst, wer liebt, bereichert sich.

M. E.

Auch die Mahrhcit läßt sich boniitzcn, nm andere zn täuschen.

M. E.

Ulanchen Ukann kleidct eine Schiirze gnt, manches weib
wasserstiofcl. R. M.

Zuweilcn gehört zu ciner feigen lhandlnng mehr Ulut als
zu einer tapferen. vr. E. R.
 
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