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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0007
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L. Meggendorfers ^umoristische Blätter.

7

Äin

brunoristij'cher (Kanner.

— „schnldig erkannt und
zn lebenslänglichemschiverelii
Kerker vernrtcilt."

— Lebenslänglich? lhö-
ren'5 auf l Die Zcit können
S' nil doch net einsperren, die
i schon g'lebt hab'l"

Kindtiche Änffassung.

— „Gclt,papa, derTenfel
heißt init dem vornalncn —
Pfuil"

— „Aber wie konnnst dn
denn darauf?"

— „Man sagt doch linnier i
pfui Teufell"

ööurrah!

5chnsterjnnge (vom Mclstcr
gcprügelt): „ksnrrah l"

Meister: „Nann, wat is
denn det?"

Schusterjnnge: „Ia, ick
hab init 'in Angnst gc-
wettet, det Sie niir hent
zuerst prügeln werden,
nnd ick hab' jewonncn."

Resiguicrt.

Frenndin: „Daß Dn aber anf den tferrn, der vir ein Rendezvous gegeben hat, so lango
wartest?"

Frl. Lulalia: „Lr hat niir ja das lheiraton versprochon, auf das ich schon zwanzig
Iahr' warte — da komnit's doch jetzt anf die Stnnd' niminer anl"

Reifelelitüre.

Humoreske von Gtto Anthes.

ch fnhr von Gießen nach Röln. In Betzdorf hatte mein
Zug zehn Minuten Ansenthalt, damit den von kjagen
kominenden Reisendcn Zeit zum Amstcigon blieb. Ich
zitterte vor Angeduld. Iede verzögcrnng der Fahrt
war mir qualvoll. Ich hatte es so eilig nach Aöln zu kommen,
als ob ich dort ein ksaus besäße, das in Flammen stand. Sum
fnnfzigstcn Male, seit ich ans Gießen abgefahren war, zog ich
oinen zerknitterten Brief ans der Tasche, und indem meine
Augen von ihm znr Bahnhofsuhr und wieder zurückirrten, las
ich die lhälfte nnd orgänzte die andere aus dem Gedächtnis.

Liebsterl

Ls ist alles ausl Ich vermag diesen nngleichen Aampf
nicht weiter zu führen. Ich kapitnliere. verzeih' mir, nnd
wenn Du mir eins noch zn Liebe thun willst, versprich mir,
daß Dn mir nie wieder begegnen willst. Ich weine, während
ich schreibe. Aber ich bin entschlossen. Znm letzten Mal

Deine ungliickliche Lotte.

?. 8. Ich fahre am Sonntag nach Aöln zu Tante Luise.
Bnkel Julius wird mich begleiten. Dort wird sich das
Schreckliche ercignen. Ls war die einzige Bedingnilg, die ich
noch gestellt habe: nur nicht hier, wo tausend Lrinnerungen
lebendig werden —-— lebe wohll Lotte.

Glockengasse

Die alte Geschichte. Den armen Bewerber läßt inan fallen
und heiratet den alten Gnkel Iulius, weil er reich ist. Lrbärm-
licher khandell

War es wirklich so ganz erbärmlich? Alt war Vnkel Iulins
cigentlich noch nicht. Achtunddreißig oder nennnnddreißig Iahre.
Und er war mir immer schon als ein bemerkenswerter Neben-

buhler crschienen; hauxtsächlich um des vorzugs willen, den
ihm Lottens lNama vor den übrigen Liebhabern ihrer Tochter
gab nnd daiin anch — es mußte zugestanden werden — um
seiner eigenen xersönlichen vorzüge willen. Lr war nicht nur
der wohlhabende Inhaber eines Lonfektionsgeschäfts; er erfreute
sich anch eines leidlich hübschen Aenßern und verstand dassclbe
dnrch eine tadellose Aleidung trefflich hervorzuheben. Dazu war
er in allen Sättcln gerecht, ein übcrans beliebter Gesellschafter,
sang ersten Tenor in „5ang und Alang," dichtete Lonxlets im
Larnevalsverein, hatte zwei Preise als Radfahrcr erworben,
war Admiral im Rnderklub „Nelson", tanzte mit der Ausdauer
eines Bären, ohne daß man ihn schlug, nnd war gutmütig wie
ein Riese, obwohl er nur ;,5Z hatte. Und ichl — Ich reiste in

Decken und Planen für Mayer und Lo!-- Was wollte ich

also noch in Aöln? Ich wußte es solbst nicht recht. Vielleicht
Dnkel Iulius würgen, vielleicht ihm zu Füßen fallen und
ihn anflehen, nns seinen Segen nnd ein paar Tausend Ukark
unverzinslich zum Anfang zu gebcn; oder irgend etwas anderes
thun, was zwischen diesen beiden Grenzen der Ulöglichkeit lag.
Iedenfalls etwas thun, nachdem ich so lange gezaudert hatte.
Uiit unwiderstehlicher Gewalt hatte sich mir die Lrkenntnis auf-
gedrängt, vor der ich mich bis dahin zu verstccken gewußt: daß ich
allein Schuld war an diesem Ausgangc, ich allein und kein Andercr.

Ich hatte mit allen Uünsten nieiner fünfundzwanzig Iahre
und mit der ganzen Rühnheit meines Staudes um die Guiist
des reizenden Utädchens gebuhlt; und als ich sie erworben,
war mir bange geworden vor meinen Lrsolgen. Ls ist so un-
endlich leicht, vor zwei blanen Augen Gnade zu finden, wenn
man eine erträgliche Figur macht und lieber kvalzcr tanzt al?
 
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