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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0082
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L. Meggendorfers ^umoristische Blätter.

8^

Mn komischer Keiraisvermittler.

Hunwrcskc von A. witus.

chaffner, darf ich diesen kleinen Leckel mit in's Loups
nehmen?"

„Ja, Fräulein, d. h. wenn die INitreisenden os
gestatten, — aber bitte schncll, der Zug geht weiterl"


! >kjl

Vie Thüre flag
zu und Lselene
Merding stand
mitten in einem
Damenecmpü
zweiter Klasse,
ihr gegeniiber
eine ältliche bleiche
hagere Dame.
Ach, Fräulein, er-
lauben Sie, das; ich diescn
lsund hier bei mir behalte?"

Lächelnd war die Frage von den
srischen, jungen Lippen gekammen,
sie — täelcne — war ja so sicher eine znstimmende Antwort
zu erhalten, denn wer hätte es wohl iiber's bierz bringen
können, ihren jduck nicht sreundlich aufzunehmen? — Aber
diesmal irrte sie sich doch. Die Augen der alten Dame richtetcn
sich mit einem fast seindlichen Ausdruck auf den kleinen krumm-
beinigen vierfüßlcr und ihr Aleid sestcr an sich zichcnd, er-
widerte sic kurz: „Ls thut mir leid, aber ich mus; Sic bitten,
den ksund draußen zu lassenl" Ganz erstaunt sah das junge
Mädchen die Sxrechcrin an.

„Aber ich bitte 5ie, das kann doch unmöglich Ihr Trnst sein,
was thut Ihnen denn mein kleiner Tcckel? — ich kann ihn ja
auf dem Schoß behalten!"

„Nein, nein, ich wnnsche, daß der lhund entfernt wird
sehen Sie, sehen Sie — und das soll ich mit anhören?"

Puck mußte fühlcn, daß ihm hier eine unerbittliche Feindin
gegeniiber saß, denn mit krauser Schnauze und vorgestrecktem
khalse hatte er die Dame wütend angeknurrt.

„Rnhig Puck — ganz ruhigl" rief ängstlich das junge
tNädchen und dann, zu der Dame gewandt, sügte sie in eincm,
cin ganz klein wenig impertinent erscheincnden Ton, hinzu:
„Aber bis zur nächsten Station müsscn Sie sich unsere Gegen-
wart nnn schon gesallen lasscn, denn im Fahren kann ich doch
nicht gut aussteigen."

Lin kurzes Achselzucken der Damc war die Antwort, dann
drückte sie sich sest in die Lcke und sandte nur von Zeit zu
Zeit einen wüthenden Blick nach ihren beiden Reisegefährten.

Auf der nächsten Station riß das junge Akädchen sofort
das Fenster auf und rief nach dem Schaffner, sie wolle umsteigen,
der ksund falle hier lästig.

Aber siehe da — Zllles hatte sich gegen sie und ihren Teckel
verschworen! denn bevor sie noch bei dem andern Damencoups
die Bitte, den ksund mit hineinnehmen zu dürfen, ausgesprochen
hatte, rief ihr schon eine fette, quiekscnde Frauenstimme ent-
gegen: „Der ksund bleibt draußen — das auch noch bei dieser
Nitze" — dann noch einige unverständliche kvorte, aus dcnen
kselene nur so etwas wie „Ungeziefer" an ihr Vhr schlug, und
sie stand wieder ratlos da.

Die Thrancn stiegen ihr heiß in die Augen — was sollte
sie thun? hätte sic doch den Rat ihrcr kliutter befolgt und puck
zu kianse gelassen, — aber sie hatte sich so darauf gefreut, ihrcm
Oetter den reizenden ksund zu zeigen.

„Ia, Fränlcin," untcrbrach jetzt der Schaffner ihren tranrigen
Gcdankengang, „lange Zcit ist aber nicht, dann mnß der lhund
ins Lsundecoupül"

kvie ein Schlag traf kselene dics kvortl ihr Pnck ins
khundecoups, nein, das war unmöglich, er würde sich zu Lnde
schreien I und indem ihr jetzt die hellen Thränen über die Backcn
liefen, sagte sie mit einem flehenden Blick auf den Schaffncr:
„Ncin, da stirbt er, das geht nicht — o, wie können die Alenschen
nur so böse sein und den kleinen ksund nicht bei sich dulden
wollen."

Da — plötzlich, erscholl über ihrem lhaupte eine kräftige
kserrcnstimme: „Ivollen Sie mir Ihrcn löund anvertrauen?
hier, im Rauchcoups wird er schon Aufnahme sinden, zumal
da er so ein reizender, urcchter Teckcl ist."

Bci den erston lvorten war lhclencns Aopf erschrocken herum-
gefahren, als sie aber dann in ein paar herzensgute, freuudliche,
blaue Zlugcn blickte und gar noch das „reizender, urechter" folgte,
da atmete sie erleichtert auf und indem heller Sonnenschein
über ihr Gesicht strahlte, reichte sio ohne Bosinuen ihrcn lsuud
in das Toups, aus dem sich ein paar feste, gebräunte lhände
ihrem Liobling entgegenstreckten. lllit einem schüchternen Blick
bat sie noch: „Bitte, schlagen Sie ihn nicht so sehr, wenn er
bellt." — Aber der Schaffner schob sie schon wicder in ihr Loups
und so erhaschte sie nur noch beim llmsehcn cinen lachenden
Blick ans den blauen Angen, und der Zug dampfte weiter, es
war ja nnr noch cine kurze Streckc, dann mußte sie aussteigen.

Lndlich war es so weit der Zug hiclt, der Schaffner öffnete
die Thürc und rief „Friedcnan." Tilig griff lhelene nach ihren
Sachen . . . abcr der Schirm saß mit der Troddel im Netz fest
— er wollte nicht heraus und sie hatte doch keine Zeit; unge-
duldig riß sie endlich die Troddel los und stürztc aus dem Toups.
Abcr siche da, kanm fühlte sie festen Boden untcr ihren Füßen,
als die Räder des Zuges sich wieder in Bewegnng setztcn.

„lllein ksund, mein löund l" schrie lhelenc laut auf und
als die schnaubende und pustende lllaschine darauf keine
Rücksicht nehmen wollte, begann das junge lllädchen in sehr
wenig damenhaften Sätzen neben dem Iuge herzueilen. Da —
sie wollte es gerade aufgebcn, fuhr plötzlich, schon in einiger
Lntfcrnung, der Aopf des bewußten lherrn aus dem Fenster —
cr hattc wohl das Rnfen gehört. Ganz erschrocken erblickten
seinc Augen die junge Dame auf dem perron, dann fuhr er
wie der Blitz vom Fcnster zuriick, um gleich darauf den zappelnden
 
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