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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 4.1891 (Nr. 1-13)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20269#0009
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L. Neggendorfers Humoristische Blätter.

Z.

n der Umgebung von Lnnton, dieser Riesenstadt,
wohnten Haus an Haus zwei reiche Lhiueseu,
welchc sich von den Heschästen zurückgezogen hatten.
Ter Linc, Uaincns Ton, war in Ataatsdiensten ge-
standen und lebte nun von dem unermeßlichen Ver-
mögen, welches ihni sein Vater hinterlassen hatte,
während seinem Hreunde Lang durch Handel be-
deutende Tüter zugeflossen ivaren.

Eine entsernte Verwaudtschaft verband Beide,
und wenngleich die Lharaktere dieser Nänner nicht
sür einander paßten, so waren sie in jüngeren Iahren
doch in inniger Kreundschaft Liner für den Anderen
aufgegangen; als dann in der Nannesreife die Ligen-
heiten jedes Linzelneu mehr zum Turchbruch gerieten,
gestalteten sich die gegenseitigen Beziehungen lauer
und arteten zuletzt in Haß aus.

2o verfloß die iZeit. — Cou gewann täglich an
Eravität, sein Bäuck)lein rundete sich majestätisch,
dem Doppelkinn hatte sich bereits eine dritte schwer-
wiegende Kalte angefügt und er unterhielt sich nur
mehr über LNoral und deren Anwendung. —

Aang dagegen schien mit jedem Cage jünger,
lustiger und ausgelasfener zu werden; er würdigte
den Lrnst seines Kreundes in keiner Weise und so
kam es, daß sie, statt in gemütlicher Ilnterhaltung
wie früher zu verkehren, jetzt nur noch Tiftpfeile des
Wortes einander zuschleudcrten; sie glichen zwei von
Cornen und Ltacheln strotzenden tzecken. Lchließlich
kam es dahin, daß ste ihren persönlichen Verkehr
ganz abbrachen und daß Ieder über der Chür seiner
Besitzung eine Cafcl anbringen ließ, auf welcher allen
Bewohnern des Aachbarhauses der Lintritt verboten
wurde. —

wie schon gesagt, lagen beide Mohnhäuser un-
mittelbar nebeneinander; ja. die weiten Kärten, welche

stch hinter denselben ausdehnten, bildeten sozusagen
nur ein Eanzes; gegen die übrige Nachbarschaft schloß
beide Besitzungen ein kleiner Bee, der gemeinschaft-
liches Ligeutum war. Uin nun von der feindlichen
TeseÜschaft nichts mehr zu hören oder auch nur zu
sehen, wurde der Tarten durch eine so hohe üiaiier
abgeteilt, daß sich hinter derselben kaum die Tiebel
der Häuser abzeichneten und diese stiauer auch mitten
durch den Bee bis an das jenseitige llfer verlängert.
Achwere Pfähle wurden derart in den Bee gerammt,
daß sie mehrere Huß über den Masserspiegel hervor-
ragten und auf diese dann gleichfalls eine hohe Holz-
wand aufgeführt; oen Raum zwischen Masser und
Holzwand ließ man frei, damit Letztere durch Be-
rührung usit dem slüssigen Llemenr nicht zu schneU
dem Zahn der Zeit erliege. Tazu baute Ieder
— Liner wußte natürlich nichts vom Andern —
einen Balkon in den Zee hiuaus, um dort un-
geuiert die Masserkühle genießeu zu können. Am
liebsten hätten sie ihre Häuser verkauft oder die-
selben dem Lrdboden gleich gemacht; ersteres wollte
ihnen nicht gelingen, weil sie dieselben sehr hoch im
preise hielten und letzteres dünkte ihnen ein dem
Hasfe zu kostbares Cpser. Also ließen sie die Mauer
bauen und lebten ruhig ohne die geringste Aenntnis
vou einander weiter; in seinem Innern bekannte sich
Ieder, daß er dem alten Hreunde doch wohl Anrecht
gethan.

Cieser ^ustand dauerte bereits einige Iahre.
Tie Mege, welche vom einen Hause zum anderen ge-
führt hatten, deckle dichter Rasen und üppiges Te-
sträuch schoß längs der lliauer in die Höhe. Ta
wurde in jedem Haufe ein Aind geboren. Madame
Cou fühlte sich glücklich als Mutter einer reizenden
Cochter und stiadame Aang schenkte einem aller-

Apiegelbild.

Line chinesische Novellette von Iulian Dlden.
 
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