Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 6.1891 (Nr. 27-39)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20906#0018
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^2

L. Neggendorfers Hunoristische Biätter.

sZ


Tann aber, als sie iveiter kam, ward ihr iimner volter und enger im
Nieder. Lie mußte Zeile um Zeile einhalten und ties ausatmen und an
der wonnigen würzigen Abendlust, die vom Bergwald hereinwehte, ihr
stürmisch bewegtes Eemüt wieder ein wenig beruhigen, ehe
sie weiter las. Am liebsten sreilich wäre sie vom
Tachboden hinuntergesprungen in die stille
Dorfgasse und hätte allen, die da
ahnungslos vor den
Häusern beisammensaßen
und plauschten, jubelnd
zugerusen:

„Nei Walther ischt preis-
gekrönt! Ni hat er g'malet
und das Bildle hat ihne so
guet g'salle, daß mer ihm den
erschte Ehrepreis gegebe und
ihn austrompetet hat wie de
Lchützekänig am Airmeß!"

Aber dann wieder schämte
sie sich vor sich selbst. 2hr Bild
— von so vielen Causenden
begafft — war denn das nicht
sündhaft?

„Aärrisch Mädle!" lachte sie
bald wieder auf. „Der Walther
wird's ja wohl beffer verschteh'
wie du, der muß's wiffe!"

And sie las und las wieder und
weil ste sonst Niemanden hatte, dem
sie ihr Elück mitteilen konnte — und
Elück will Anvertrauen! — so las
sie alle acht Äeiten der Miez vor; die
saß artig und langsam einnickend
dabei, und that bei mancher Ltelle, die
ihr besonders gefiel, einen tiesen bei-
sälligen Lchnurrer.

Aur eines wollte dem Bärbele nicht
an dem Brief gefallen — daß er nicht
selber kam — der Lchreiber der schlimme!

Aie wollt's gar nicht recht begreifen, daß
er nun nicht in den Schwarzwald kommen
und sie herzen und küssen und Ruhm müßt'

Ruhm sein lassen!

Als sie dann später freilich ruhig darüber
nachsann, sagte sie sich, daß er recht habe, daß
er so besser an sie denke, als wenn er nun
dahergeeilt käme und das Elück, während sie
beide davon schwärmten, ungenützt würde ver-
fliegen lassen.

Lr mußte den Mnter über arbeiten —
sie sah es wohl ein — aber gar zu lange Zeit
war's! Er mußte die vielen ansehnlichen Auf-
träge, die ihm von allen Zeiten wurden, zu be-
sriedigen suchen, er mußte sich dadurch Teld,
viel Teld verdienen, um dann im Hrühjahr ihr
Nestchen recht behaglich einzurichten und seine
Schwarzwaldlerche heimzuholen!

Ta siel ihr bangen Herzens der Hrieder ein!

Ter Hrieder hatte schon seit jenem Cage, da er die
beideu belauscht, auf diesen Alinter gehofft! Aläre nur
erst die Lonne fort, dann ging's mit dem Naler ebenso,
und dann war seine Zeit gekommen, da er mit schwerem
Ceschütz auffahren und Cag und Aacht den Schsenwirt und
sein schmuckes Töchterle bombardieren wollte, bis sie nach-
gegeben hätten. Mochte d'rauf der Maler mit den Lerchen
wieder kommen — an sein A>eib sollte er ihm nicht mehr
heran! Ls schwoll ihm dre Ltirnader bei dem bloßen Eedanken.

Cer Vchsenwirt hatte mit lächelnder Miene im Aonn-
tagsblättle von Walthers Preiskrönung gelesen, da ging

R ärd ele.

Einr SchivÄrff'aldgrschichtr.

(Schlß.)

ire aus und der Ländbauer mit seinem Kriedl
ein. Nan merkte an ihrer seierlichen Cewandung,
sie kamen, und sie hielten auch nicht zurück damit.

Cer Vchsenwirt rief sein Aind.

„Bärbele," sagte er, „Cu siehst wohl selber, was das
bedeutet! Aun red', willscht 'n Zrieder habe?"

„Aber, Dchsewirt," rief der Ländbauer beleidigt, „i
meinet doch, mer hätte de ganze Vorfall scho längscht be-
schproche und es wär' a abgemachte E'schicht'!"

Cer Vchsenwirt zuckte die Cchultern. „'s isch so a Lach'!"
sagte er. „Aeberall möge dieElternfürihrAind sorge, ohne
d'rauf z'höre — sie wisie's ja besser; aber in der Lieb' isch der
der Rlügs chte, der's spürt oders püre soll—als o, Bärbele, red'!"

„Vaterle!" rief das Nädchen, dem die A)orte des Mrtes
wie ein Hoffnungsstrahl in's tzerz gefallen waren. „I ka
den Krieder nit nehme — i bin scho 'm andere guet — dem
Naler Walther Arisch — den nimm'i, sonst koin aus der A)elt!"

Es kam eine äußerst heftige Lzene d'raus, in der die
harten Nännerköpse grimmig gegen einander rannten. Das
Belbstbewußtsein und dcr spöttelnde Hochmut derer vom
^ändhof erbitterte aber den Cchsenwirt so sehr, daß er schon
um deswillen nicht nachgeben mochte, und so geschah es,
daß die beiden Säste in höchstem Aorn das Haus verließen
und die bitterste Coöfeindschaft im Herzen mit forttrugen,
der fie denn auch während des A)inters überall, wo sie
dies nur vermochten, so unablässig und wirksam Lust

machten, daß es ihnen in der That gelang, den Vchsenwirt krank
zu ärgern.

Cer schwere vollsäftige Nann raffte sich seltsamer weise nicht mehr
vom Rrankenlager auf. Ls ging schlimmer und schlimmer, und
wenn Bärbele nicht ost und ost Briefe von Alalther
bekommen hätte, wäre der endlose Winter
für sie eine trostlose Zeit gewesen.

Cann aber ward's
Lenz. „Aun wird's au
dem Vaterle wieder guet
gehe!" sagte das arme
blerch gewordene NLdchen,
als fie am Bette des Gchsen-
wirtes saß und das volle
goldene Lonnenlicht in's
Aimmer slutete.

Cer schweratmige Mann
mit dem gelben Tesichte und
den matten Augen schüttelte
denAopf. „Bchau nur BLrbele,"
slüsterte er, „daß T>ei Lchatz bald
kommt — wenn er mein' Zege
will, muß er bald da sei — ich
kann nimmer lang d'raus warte!"
Achluchzend eilte das Nädchen
aus der Ltube und ging traurig aus
dem Hause nach jener Bank zwischen
den zwei Bäumen, wo sie ost mit
Alalther zusammen gesessen war.

Plötzlich schreckte sie aus ihren
Eedanken auf. A>as war das? Hatte
man sie gerusen?

Sie blickte nach dem A>ege —
ja, wirklich, ja, ja dort — mit dem
Ränzel, dem Nalerschirm und dem Stock
kam er heraus — Alalther kam, der
Langersehnte!

Mit zitternden Küßen eilte sie ihm
entgegen, weinend barg sie ihr Tesicht
an seiner Brust.

„Armes Rind!" slüsterte er. „Me vic!
hast Tu geduldet? Aber tröste Tich — es will
Lenz werden — nun kommt der Liebe ^eit!"

„Laß uns zum Vater gehen!" sagte er
dann. Hand in Hand schritten sie still dem
Hanse zu und traten dort leise in die Ltube.

Lin mildes Lächeln verklärte die Züge
des kranken Nannes, als er beide so eintreten
sah. Zein Tesicht zeigte kein Ztaunen, er
winkte sie zu sich heran und legte slüsternd
seine Hände aus ihr Haupt.

„'s ischt Zeit!" murmelte er. „Nun kann's
nit fehle d'ran, daß mir Tott gnädig ischt —
mei Aind laß i ja glücklich unte!"

A>enige Lage d'rauf starb er in Alalthers
Armen.

Noch eimnal begleitete sie ihn vom Torfe fort, in
dunklem Crauergewande, leise weinend. ^>ur letzten kurzen
Lrennung reiste er in die Ztadt, um dort die letzte ordnende
Hand für ihre Linkehr anzulegen; hatte er doch nicht zn
hoffen gewagt, daß er sie so bald schon heimführen dürfte!

„Behüt' Tich Tott, Bärbele," sagte er am A>aldrand,
„morgen und übermorgen — dann komm' ich wieder und
hole Tich!"

Sie blieb noch lange stehen und sah ihm nach. Tor!
hinter ihr Leid und Craucr — dort vor ihr Aonne und Tlück!

2ie lächelte leise in Thränen und slüsterte: „Romm
bald!"
 
Annotationen