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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 6.1891 (Nr. 27-39)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20906#0026
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5. Neggendorfers Humoristische Blatter.

rigndierZchnüfsel
wnr cin gewiegtes
polizeigenie. Sei-
nem Acharfsinn
blieb kcine tlnthat
verborgen nnd die
fechtenden Hand-
werksburschcn
weit nnd breit
iiberkam ein ge-
lindes tvruscln, wenn sie nur den Aamen des
Kefürchteten nennen hörten. A)o man es ain

wenigsten verniutcte, tauchte plötzlich seine blin-

kende Helmspitze hervor. Drobcn ain Lcrgab-
hang, weit abgelegen vom Städtchen nnd der Ver-
kehrsstraße stand ein kleincs Waldhäuschen. Drin
haustc ein altes Caglöhnerpaar. Cer )kiann ging
seiner Arbeit iiach im A)aldc, die ^rau besorgte das
Haus und nebenbci eine kleine, einträgliche Brannt-
weinwirtschast — natürlich ohnc
)l)illcn uud Lrlaubnis Dcr hohcn
Polizci. iliancherlci volk trank
dort oben im Waldhäuschcn un-
gcstürt seinen Lchuaps. ja man
munkeltc sogar, daß dort oben
manchmal bis tief in die Racht
hinein wahre Achnapsgelage statt-
sänden. Cer Lrigadier wußte das
und hatte schon patrouillicrt, vigi-
liert, recherchicrt — aber
allcs umsonst, die Lcute
waren auf der Hut.

Cas wurmte ihn sehr.

Collte es ihm, dem altcn
Praktikus, nicht gclingcn,

Licht in die Sache und die
Schuldigcn zur Ltrafe zu
bringen? Alollte er cin-
schreitcn, so mußte er
Rcweise haben und doch
wollte Riemand etwas
wissen! C>a kommt ihm
ein erleuchtcndcr Tedanke!

)venn er selbst einmal
binausginge und dem
Waldhäuschen als C ast
cincn Besuch abstattete?!

Ha — das niußte ge-
lingen; die dummen
Bauern mußten aus die
Leimrute kriechen und
dann blieb ihm der Ruhm!

Linc Belohnung scitens

dcr Vorgesctzten konnte gar nicht ausbleiben! —
Kedacht — gethan. Lines schönen Tags macht er

sich auf den Weg und tritt ins ilvaldhänschcn ein.
C>ie Srau wittert zwar sofort klnrat, doch erwidcrt
sie sreundlich den Gruß des Kestrengen: „Li, seht
mal an, der Hcrr Brigadier! — Cic Lhr'! — Cer
sremde B'such! — Rlas wünscht der tzerr?!" —

„Rch," stöhnt dieser und sinkt müde auf die Bank
nieder, „bin müd Hrau; möchte ein bissel bei euch
verschnausen." —

„2st gewiß schon weit marschicrt hcut', der Hcrr
Brigadier?" sorschte die Hrau weiter.

„lveraten, Hrau," erwidcrt dcr letztcrc. „Und
Leibschmerzen hab' ich — könnt' ich nicht cincn gutcn
Achnaps kriegen?"

„2a freilich," sagt die Srau und briugt das Kc-
wünschtc.

„Ah — das wärmt."

Aus der Cischschublade entnimmt dic Hrau einen
Laib krästigen Schwarzbrotes und präsenticrt's: „8>e-
fällig, tscrr Brigadier?!"

C>er läßt sich's nicbt zweimal hcißen und
schneidet ein Stückchen ab. Lndlich ist er scrtig

und rüstet sich zum Aufbruch. Cetzt will cr den

Hauptschlag sührcn, die Inkulpatin auf frischer Chat

. ertappen.Sie

kann ihm
nicht mehr
entgehen.

„So —
Hrau, was
macht nieine
^eche?"
fragte er
lauernd.

„Cer Schnaps, Hcrr Brigadier — wisscn's, der
kost' bei uns nix — wcnn er Ihncn nur g'schmeckt

^ e lree listet.
 
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