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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0014
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DER ILLUSTRATOR

die Welt so eigentümlich wie möglich zu erfassen, damit
er nicht im Materiellen stecken blieb, mußte mehr Geist
haben als vorher, wo der Kosmos der Überlieferung für
ihn dachte, fand in sich selbst die Stütze für seine Formen.
Menzel ist mehr Autodidakt als irgend einer seiner Zeit-
genossen. Der wahre Self-made-man ist nur in einem
kunstarmen Lande denkbar. Wir täuschen uns, viele Fran-
zosen der Neuzeit so zu nennen. Sie sind allenfalls sub-
jektiv in derselben Lage, und selbst das nicht einmal.
Einen Realisten wie Courbet trieb der Instinkt zu
edlen Vorbildern, an deren Größe er sich ganz bewußt
stärkte. Er sah sie immerwährend vor sich. Alle Fran-
zosen sind von einer dichten Kunstatmosphäre umgeben
und saugen die Tradition mit der Muttermilch ein.
Viel Größeres fiel der persönlichen Leistung eines
Menzel zu. Er kam aus einem verzweifelt dürren Milieu
und brachte von Natur aus nichts mit, was ihm sofort
eine moralische Überlegenheit über den Alltag seiner
Umgebung geliefert hätte. Sein Äußeres bedrückte
ihn vielleicht noch mehr als seine Armut. Er war
jeder romantischen Ader, die aus Kontrasten den Mut
zu Taten gewinnt, bar. Wohl genoß er die Fürsorge
eines gebildeten Vaters und erwarb sich bei ihm ge-
wisse technische Kenntnisse, die seinen Lithographien
zu statten kamen. Aber die Förderung des Künstlers
war gering. Es ist nicht mal sicher, ob ihn nicht der
Lithographenberuf schädigte, denn der Vater verfolgte
mit seiner Steindruckerei ohne Glück rein kommerzielle
Ziele. Jedenfalls geht die populäre Allegorik des jungen
Menzel, die sich im Rahmen von Speisekarten-Ver-
zierungen hält, auf das im elterlichen Hause Gelernte
zurück und war Zeit seines Lebens der Wurm in seiner
Kunst. Das Rankenwerk des Titelblatts zu ,,Künstlers
Erdenwallen", des ,,Vaterunser" und anderer Arbeiten
der dreißiger Jahre verfolgt Menzel durch alle Epochen.
 
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