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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0099
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MENZEL UND CONSTABLE

wir schon beim Vergleich des Bildes mit der Zeichnung
empfindliche Lücken. Man hat dem Bildchen in der
ersten Freude der Entdeckung mehr Reize zugeschrieben,
als der Autor hineinlegte. Die Absicht, die ganze Land-
schaft in einem Zuge herunter zu malen, ist deutlich;
die unverhüllte Handschrift wirkt im Vergleich mit der
glatten Malerei bekannterer Bilder ungemein wohltuend;
aber das Ganze ist doch zu ärmlich, als daß man in dem
Bilde eine entscheidende Tat erblicken könnte. Die
Baumgruppe in dem harzigen Schwarzbraun fällt ganz
heraus, der Hintergrund geht nicht mit dem ersten
Plan zusammen, und das Ganze wirkt mehr burschikos
als genial. Dasselbe trifft in noch höherem Grade bei
der großen Landschaft mit dem „Tempelhoferberg" zM).
Sie beweist, daß Menzel damals durchaus nicht allein
Constable vor Augen hatte. Das Bild wirkt vielmehr
barock wie viele und nicht die besten Zeichnungen
und rechtfertigt vielleicht die zweifelhafte Verbindung
mit Schlüter, den man zuweilen unter den Ahnen
Menzels genannt hat. Barock in der Form, in dem
Ungeordneten des ganzen Bildes, in den gleitenden
Pinselstrichen, in der leise an Rubens erinnernden Art,
wie die beiden verwegenen Bäume gemalt sind. Die
schmutzigen Farben tragen noch dazu bei, den Eindruck
des Ungezügelten zu vergrößern. Das scharfe Rot des
Berges detoniert unangenehm in den verwaschenen, aus
Grün, Grau und Braun gemischten Farben. Übrigens
wurde dieses Rot Menzel wiederholt gefährlich. Es gibt
dem Gustav Adolf-Gemälde^) mit dem Schlitten das Mas-
keradenhafte und brutalisiert auch in vielen anderen histo-
rischen Bildern die Stimmung. Sehr hübsch ist auf dem
„Tempelhofer Berg" das regenfeuchte Stück links mit den
Häusern. Hier ahnt man, welcher Dinge Menzel fähig war.

1) Märkisches Provinzial-Museum, Berlin, aus 1847.
2) Vgl. S. 85. Das Rot hier typische Theaterfarbe.
 
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