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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0100
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DER MALER

ßo

Am erstaunlichsten wirkt von allen Landschaften die
,,Waldesnacht" A) Das Bild sieht von nahem wie eine Pa-
lette aus, von willkürlich gemischten dunklen Tönen. Beim
Zurücktretenwirdder Zauber der zusammenfließenden Far-
ben lebendig. Die Pinselstriche ordnen sich zu einem orga-
nischen Netz von blaugrauen und braunroten Tönen, in
denen hier und da ein gespenstisches Weiß leuchtet; aus
dem Gewebe wachsen die dunkeln Massen der Bäume
hervor. Wir erkennen die schweigende Atmosphäre einer
weichen Sommernacht. Man steht vor dem Bilde wie
vor einem psychologischen Rätsel. Nicht wegen seiner
schattenhaften Schönheit; solche Wirkungen sind uns seit
dreißig Jahren nicht mehr ungewohnt; sondern daß Men-
zel, der Menzel, den wir alle seit Kindesbeinen kennen,
der Sachliche, den man immer nur mit einer halbver-
schluckten Verwünschung einen großen Künstler nannte,
so sehen, so schwärmen konnte. Das Bild könnte ohne
jede Gefahr für einen Courbet gelten, einen von der sei-
digen Art aus den vierziger Jahren, als der Meister von
Omans seine weichen Portraits malte. Ich glaube nicht,
daß Menzel schon damals Courbet gesehen hat; nach
Paris ging er erst vier Jahre später. Die Köpfe aus i8$$,
dem Jahre der Reise"), passen gut zu unserer Landschaft,
könnten freilich auch auf das Studium alter Meister
— namentlich Rubens — zurückgehen. Man wird sich be-
gnügen müssen, hier einen der vielen isolierten Ausblicke im
Werke Menzels zu konstatieren, die keine Folgen hatten.

Nach alledem scheint bisher der Einfluß Constables
auf Menzel gering, aber man würde irren, wollte man ihn
an den relativ wenigen Bildern messen, die in das engere
Gebiet Constables fallen. Wir begegnen ihm nicht nur

Ü Sammlung R. v. Mendelssohn, Berlin, 1851.
3) In der Nationalgalerie und der Pinakothek.
 
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