Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0102
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
92

DER MALER

beherrschte das Gebiet und brachte ihm größere Sym-
pathie entgegen. Wir sahen schon in seinen Zeichnungen,
Radierungen und Holzschnitten, wie wohl ihm innerhalb
der festen Wände des Zimmers war. Seiner ganzen Art
nach Interieurmensch, verschloß er sich draußen unter
Menschen. Zu Hause knöpfte er sich auf, soweit ihm dies
überhaupt gelingen konnte. Zur Landschaftsmalerei, mit
der uns große Meister verwöhnt haben, gehört flammen-
des Temperament, die Fähigkeit schneller Entschlüsse,
ganze Hingabe. Menzel fehlte alles zum Enthusiasmus,
namentlich schon die Zeit, aber er konnte behaglich sein.
Den gemalten Interieurs hat wiederum Constable ge-
holfen. Aber der Einfluß ist hier viel weniger wörtlich
und deßhalb von größerem Vorteil. Schon die Über-
tragung der Erfahrung, die Menzel beim Studium der
Landschaften des Engländers gesammelt hatte, auf ein
Gebiet, das Constable selbst nie berührt hatte, gab dem
Nachfolger größere Freiheit. Der Einfluß — vielmehr
ein Zufluß — wurde in ein Bett geleitet, das zum Emp-
fange wohl geeignet war. Die besten Interieurs sind
ausschließlich Räume, in denen Menzel lebte oder die er
genau kannte. Die besten Portraits der vierziger Jahre,
ganz wie die gezeichneten, stellen nahe Verwandte oder
gute Bekannte dar. Man findet die Geschwister in Einzel-
bildnissen und zu Gruppen vereint in den Zimmern
wieder. Den Bruder, den wir ein paar Jahre älter in
dem gezeichneten Familienblatt als den Klavierspieler er-
kannten, malte er wiederholt, einmal als überlebensgroßen
Kopf in schöner Modellierung mit den glänzend fein-
gestrichenen schwarzen Haarsträhnen^), dann im In-
terieur.^) Man kann verfolgen, wie dasselbe Modell mit
immer knapperen Mitteln stets charakteristischer wird.

Ü Kunstverlag JacquesCasper, Berlin, aus 1846. ImFormat unbehaglich.
2) Zwei Bilder aus dem Nachlaß, namentlich das kleinere, das den
Bruder am Frühstückstisch zeigt, hat alle Reize der Ursprünglichkeit.
 
Annotationen