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Meier-Graefe, Julius; Gogh, Vincent ¬van¬ [Hrsg.]; Meier-Graefe, Julius [Bearb.]
Vincent (Band 1) — München, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.29620#0175
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über Billard und Reiten kam man auf Delacroix und Rembrandt zurück.
Es stand bei Vergleichen doch nicht lediglich die Superiorität des einen
oder anderen in Frage wie in der Klippschule. Man erzog sich nicht an-
ders, soweit man überhaupt etwas für seine Erziehung tun konnte. Ver-
gleichen war vor allem vielseitiges Denken. Nur so hatte Delacroix sich
gebildet. Nur so kam er über Rembrandt hinaus, entging dem Schweiß,
der auf der Inbrunst des Holländers lastete. Das Denken weitete ihn,
machte ihn heller, behende. Rembrandt brütete dumpf an unverdaulicher
Mystik. Er hätte sich sicher schlecht auf das Florett verstanden. Poussin
und Claude waren ihm vermutlich ein Greuel. Die Antike fehlte ihm.
Man hatte zuweilen Mühe mit Gauguin. Auch seine Dialektik sprang
vor und zurück, schlug Finten, wechselte die Parade. Immer sehr parise-
risch. Der Witz lag ihm wie der Degen in der Hand. Alle Dinge ließen
sich aber nicht so abtun, im Grunde nicht ein einziges ernsthaftes Ding.
Freilich verschwieg er oft absichtlich den Kern. Von den tieferen Dingen
sprach er nicht, nicht weil sie ihm fremd waren, sondern aus Geschmack.
Er traf schon etwas von Delacroix; nicht gerade das, was Vincent am
wichtigsten schien. Seine Vorstellungen nahmen das von einer anderen
Seite, anscheinend nur von der kühlen Vernunft. Oft aber ergab sich als
Resultat eine Vertiefung. Es war zum Beispiel banal, von den kühnen
Motiven Delacroix’ zu reden, oder gar von seiner Originalität. Schließlich
handelte es sich nicht um Manschettenknöpfe. Neues roch immer infam.
Neuheit war Emile Zola. Nun ja, manche Leute, die viel Bücher fraßen,
sahen womöglich auch in Zola einen Dichter, weil er neu war. Delacroix’
Größe beruhte auf den Zusammenhängen mit anderen. Ein Genie be-
stimmte sich nach dem Umfang der Gemeinschaft, die es realisierte.

Für das Wort war Vincent dankbar: Zusammenhang, Gemeinschaft. So
war die ganze Kunst, wenn sie etwas bedeutete. Bruyas, der alle diese
herrlichen Dinge sammelte und der Öffentlichkeit schenkte, hatte wohl

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