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Meier-Graefe, Julius; Gogh, Vincent ¬van¬ [Hrsg.]; Meier-Graefe, Julius [Bearb.]
Vincent (Band 1) — München, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.29620#0178
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Arlösienne war synthetisch, aber fiel ein wenig aus dem gewohnten Genre
Vincents heraus. Und das kam vielleicht von einem Umstand her, den
Vincent zu vergessen schien, von einer geringen aber immerhin merk-
baren Beihilfe Gauguins, einigen beiläufigen, aber wirksamen Ratschlägen.
Erinnere er sich recht, habe er sogar einmal in ein paar Bleistiftstrichen die
Vereinfachung für dieses interessante Bildnis schematisch angegeben.
Vincent bestritt es. Nicht im Traum dachte er an dergleichen. Gauguin
lächelte wieder. Nun, dann habe er sich geirrt und bitte ergebenst um
Entschuldigung. — Dieses Lächeln! Lieber dröhnen und Glas schneiden.
Vincent konnte bei dem dümmsten Anlaß plötzlich ins Rochen geraten.
Wie gemein war das Lächeln! — Die Tür viel krachend ins Schloß.

In seinem Zimmer aber besann er sich sofort. Doch, er hatte womöglich
bei dem Bilde an Gauguin gedacht. Er dachte sehr oft an Gauguin, und
es wäre gut für ihn gewesen, noch viel öfter an ihn zu denken. Er war
kleinlich und schlecht, unfähig jeder Gemeinschaft. — Sofort ging er zu-
rück und bat Gauguin wegen der Tür um Verzeihung. Ja, er wolle die
Arlösienne noch einmal malen und sich dabei ganz genau an Gauguins
Vorschriften halten. Nicht nur die Arlesienne verdankte er ihm, sondern
alles. Seit Gauguins Ankunft fühle er sich täglich besser und es gebe nur
ein Heil für ihn, stets gemeinsam mit Gauguin zu arbeiten. Übrigens bitte
er Gauguin, nachher mit in den Stadtgarten zu kommen. Da wolle er
ihm etwas von einiger Wichtigkeit mitteilen.—Warum es gerade im
Stadtgarten sein mußte, wo es jetzt unwirtlich war, sagte er nicht.

Also gingen sie zusammen in den Stadtgarten. Vincent liebte ganz ein-
fach, im Freien zu sprechen. Sokrates hatte es auch so gemacht, und hier
waren sie genau so für sich wie zu Hause. Wenn man ging, kamen die
Gedanken leichter und auch die Form für die Gedanken, die sich ihm,
znmal bei wichtigen Dingen, gern versagte. Sein Plan war etwas sonder-
bar. Das heißt, er mochte in diesen Zeiten sonderbar erscheinen, während

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