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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0045
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DIE KOLONIE

kattam mitnehmen. Ich habe noch nie einen solchen
Haufen netter Menschen zusammen gefunden. Die Stim-
mung, abzüglich Krostewitz, erinnert an die Romantik der
Deutschrömer vor hundert Jahren.

Alterspräsident ist Josua Dohn, ein Balte mit weißem
Bart, Dichter und Philosoph. Er rekonstruiert die alt-
ägyptischen Mysterien und beherrscht die Zahlen-Philo-
sophie. In den numerischen Verhältnissen der Pyramiden
steckt der ganze Kosmos. Mit einer einfachen Multipli-
kation des Durchmessers der Cheops kommt man auf den
Erdradius, und das Gewicht der Pyramide ist genau ein
Bruchteil des Globus. Nach Dohn haben die Ägypter ihre
Philosophie in Zahlen-Exempeln ausgedrückt und die sitt-
lichen Grundgesetze durch Addition und Subtraktion ge-
wonnen. Mit einer etwas längeren Rechnung kommt man
von der Chefren auf den Weltkrieg. Zigeuner sollen die
Symbole der Ägypter aus alten Spielkarten abgelesen
haben. — Der blonde Doktor, mein Nachbar, der ägyp-
tische Geschichte studiert, steht diesen Ideen skeptisch
gegenüber. Ich fühle es, und er fühlt, daß es mir geradeso
geht, aber wir mucksen nicht und vermeiden, uns in sol-
chen Augenblicken anzusehen, haben ein Verbrecher-
gefühl zusammen. Zuweilen fliegt eine Wolke über Dohns
edelgeformtes Antlitz. Man muß aufpassen. Dohn warnt
vor dem Nilwasser, und man soll keinen Salat essen, aber
in dieser Hinsicht lassen wir uns nichts vormachen. Er
kennt die ganze Geschichte von Rasputin, dem russischen
Mystiker und Lustbold. Die Unterhaltung ist immer sehr
anregend, und wir freuen uns, dem Hotel entronnen zu
sein. Von unserem Dach sieht man die Pyramiden und den
Mokattam. Wir nehmen Sonnenbäder. In vierzehn Tagen
ist Weihnachten.

Moscheen. Beim Frühstück im Hause des Herrn von
K., als man auf die Moscheen Kairos kam, platzte die

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