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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0130
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MUSEUM UND KUNST

zwischen den Kolossalstatuen wird das Netz zu einem
verlassenen Spinnengewebe.

Das Museum oder Magazin ist ein unsinniger Bau in dem
modernen Protzstil der Staatsbauten europäischer Groß-
städte, besser für eine Bank oder ein Bierbaus geeignet.
Der Instinkt der Leute, die das Haus verwalten, paßt dazu.
Sie haben nur die Möglichkeiten des Lokals für das Ver-
stecken der Werke ausgenutzt und alles getan, um die
sinnfällige Kritik, die das Beste hervorheben soll, zu ver-
schleiern und den ideellen Nutzen zu hindern. Prestige
hat nur das Durcheinander später Werke im Atrium. Mit
Kaumverschwendung sind oben im ersten Stock in bestem
Licht zahllose Mumien und Mumienkästen nebst allem
möglichen ethnographischen Zeug aufgestellt, und mit al-
ler Üppigkeit der ganze Trara des Tutanchamon, die
große Sensation. „Hier darf nicht photographiert noch ge-
zeichnet werden!“ steht in allen Sprachen angeschlagen,
und die Betrachter halten den Atem an. Man schlürft den
überladenen Luxus dieser Möbel und Geräte einer niedri-
gen Epoche wie eitel Manna, delektiert sich an dem
Gold der Prunkbahre mit den rotgezüngelten Tierköpfen,
ein Theaterutensil billigsten Genres, an dem bunt einge-
legten Prunkstühlchen, an den Spazierstöcken mit den
Menschenköpfen, und bewundert den sinnlosen Aufwand
der Phantasien in Alabaster, Gipfel der Geschmacklosig-
keit. Ägypten hat alles, was Europa durchzumachen hatte,
vorgemacht, für Kunst und Gewerbe unsterbliche Muster
und im Verlauf seiner langen Existenz auch alle Schrecken
des Niedergangs erwiesen. Schließlich mußten, als der Geist
der Pyramidenbauer versiegte, Zeiten kommen, die dem
Künstler nur noch das Virtuosentum geschickter Hände
übrigließen. Eine Laune des Zufalls wollte, daß gerade
das Grab dieses Tutanchamon intakt gefunden wurde und
noch die ganze Ausstattung enthielt. Man hätte diese Dinge,
die, abgesehen von ihrer Bedeutung für den Historiker,

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