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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0076
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staunt. Aber durchaus nicht! Aber er habe doch
seine ganze Familie in Deutschland, außer der
einen Nichte. Seine beiden Brüder seien aus Ruß-
land ausgewandert, der eine nach Hannover, der
andere nach Hamburg. Seine Schwester war sehr
glücklich in Berlin verheiratet. Er kannte Berlin
seit dreißig Jahren. Berlin hatte sich in dreißig
Jahren sehr entwickelt. Auch Hamburg, das er
fast ebenso lange kannte, hatte sich außerordent-
lich entwickelt.

Irgend etwas an seiner Anerkennung ärgerte mich.
Und warum war er denn allein in Rußland geblieben ?
Wo er doch zuweilen manchen „Mißverständnissen“
ausgesetzt gewesen sei. Ich fragte ganz nebenbei
und tat so, als entginge mir das Indiskrete der Frage.
Er tat auch so. Nun, das sei so wegen des Gartens
gekommen. Man bleibe manchmal so sitzen.
Übrigens pflegte er viel zu reisen. Aus Brasilien
hatte er Orchideen mitgebracht. Zweimal war er
auf dem Balkan gewesen, dreimal in Marokko. Er
kannte auch die italienische Flora. Rußland hatte
er nach allen Windrichtungen bereist, auch Sibirien,
das für den Botaniker höchst interessante Dinge
enthielt. Das Herbarium war natürlich ein ganz
veraltetes, unvollkommenes Sammelmittel. Ein
holländischer Botaniker hatte vor kurzem ein Mittel
erfunden, die Pflanzen in Forrn und Farbe dauernd
zu erhalten. Sie wurden in eine Art Firnis getaucht.

Ich hörte zu und dachte dabei immer an dieselbe
Frage: Warum haßten uns die anderen?

Vielleicht wußte Remken, an was ich dachte.
Vielleicht dachte er dasselbe, sprach aber lieber von

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