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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0085
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ich dachte, zog sich sein Gesicht ängstlich zu-
sammen.

,,Ja, komisch!“ — sagte er und sah bedrückt vor
sich hin.

Am Abend des vierten Tages nahm Remken
Abschied von uns und machte dazu dasselbe
Gesicht wie am Anfang, als er sich vorgestellt hatte.
Er überließ uns hundert Rubel und schenkte mir
seine Decke, sein Eßbesteck und seine Patience-
karten. Das Geld, das wir ja nach dem Krieg zuriick-
schicken könnten, stamme aus einem kleinen Fonds,
den er und die anderen Deutschen in Dorpat für die
gefangenen deutschen Offiziere zusammengebracht
hätten. Wir müßten entschuldigen. Ich fand
hundert Rubel ungeheuer viel und das Eßbesteck,
das mir in einer Hülle aus schwarzer Wolle über-
reicht wurde, glänzend. Die Patiencekarten ließen
sich noch sehr gut an, obwohl er sie schon vor drei
Jahren in Berlin auf der Friedrichstraße gekauft
hatte. Ich gab Remken Briefe an dich und Giß
in Finnland mit, bat Giß, mir Geld an den ameri-
kanischen Konsul in Moskau zu senden. Außerdem
hatte ich auf Remkens Rat eine langen Brief an den
Prinzen Oldenburg, den Präsidenten des russischen
Roten Kreuz, aufgesetzt mit einer ausführlichen
Darlegung meiner Geschichte. Das Telegramm an
die Kommandantur in Warschau war unbeantwortet
geblieben.

Remkens Nachfolger war ein Stockrusse, groß,
hager, mit einem erfrorenen Gesicht. Er kam nicht

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