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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0116
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mir Zukommende, das, was ich verlangen konnte,
was schon vor drei Wochen hätte kommen müssen.
Drei Wochen, die man mir gestohlen hatte. Theater
war nicht das, was jetzt geschah, sondern das Vorher-
gegangene, all das wüste Zeug. Dicker war man dabei
auch nicht geworden. Die Litewka schlappte wie
ein Hemd. Theater war alles Frühere, auch unser
Zusammenleben, ein richtiges Dilettantentheater.
Jetzt kam Wirklichkeit. — Immer hatte ich das
Gefiihl, dir abbitten zu müssen, als ob ich die wüste
Geschichte mit Absicht, um dich zu kränken, um
dich zu bemausen, gemacht hätte, und nicht Ge-
fangener sondern gemeiner Überläufer war. Es war
mein Großvaterbrief, mein Lamprecht.

Den anderen sagte ich nur, es sei eine gewisse
Aussicht. Sie fanden es ganz in der Ordnung. Conte
meinte, also hätte ich recht behalten, mir keinen
Tschainik zu kaufen. Keiner zeigte Neid. Schließ-
lich hätten sie es viel nötiger als ich gehabt. Kuno
erwartete, daß ich zu Hause das Notwendige berichten
würde, um den russischen Brüdern, die bei uns saßen,
den Zimt zu besorgen. Das verstand sich von selbst.
Ich hatte glühende Worte im Sinn. Das war ich
ihnen schuldig. Wie ein aus der Hölle Entsprungener
kam ich.

Ich mußte immer wieder an die Luft. Der Gestank
war mir nie so drückend erschienen und es fiel mir
drinnen schwer, mein Gesicht zu verstellen und
Ruhe zu halten. Ich notierte alles, was sie wollten,
mit großer Genauigkeit. Es gab zwei Briefbogen. Die
Feurigstraße schrieb ich dazu. Auch der Hauptmann
Brendel ließ sich auf meine dringende Bitte herbei,

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