zufrieden ist, verdient Prügel. Es steckt etwas ganz
anderes dahinter, das mit Mokrow und der Ge-
fangenschaft nicht das mindeste zu tun hat. Ich
habe auch kein richtiges Heimweh. Heimweh ist
sanfte Wehmut auf rosa Grund, hofft auf Erfüllung
und kann mit einem Wechsel des Lokals behoben
werden. So etwas hatte ich vielleicht in der Ugries-
kaja und vorher; die Theatersache, die einen ärgert
oder langweilt, meinetwegen erschüttert und nachher
zu Ende ist. Zum Heimweh gehört, Punkt eins,
liebevolles Denken an die Heimat. Ich hatte es als
zehnjähriger Junge in Burgsteinfurt, wo einmal eine
Selbstmordepidemie unter uns ausbrach. Im Grunde
eine Romantik, eine bessere Art Zahnschmerz. Ich
habe kein Heimweh, oder, wenn es doch so sein
sollte, bedeutet das für meinen Zustand nicht mehr,
als wenn einer außer galoppierender Schvindsucht
auch noch einen eingewachsenen Nagel hat. Was es
ist, weiß ich nicht, nur läßt es sich nicht mit einem
Ruck ausziehen. Nur habe ich es nicht seit gestern
oder vorgestern, sondern im Keim schon lange, schon
vor dem albernen Tag bei Jonne. Ich habe es wie
ein Gift im Leibe, eine Schweinerei im Hirn, eine
Verkleisterung des ganzen Systems. Jeden Tag wird
es schlimmer, und ich merke es. Die Entfernung
von zuhause hat den Zustand nur aufgedeckt,
nicht geschaffen. Der locus minoris resistentiae wrar
vorher da.
Denn angenommen, ich käme jetzt frei, nicht in
acht Tagen, aber zum Beispiel in vier Wochen, in
zwei Monaten. Länger kann es auch bei russischer
Bummelei nicht dauern. Gut, ich nehme den Zug
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anderes dahinter, das mit Mokrow und der Ge-
fangenschaft nicht das mindeste zu tun hat. Ich
habe auch kein richtiges Heimweh. Heimweh ist
sanfte Wehmut auf rosa Grund, hofft auf Erfüllung
und kann mit einem Wechsel des Lokals behoben
werden. So etwas hatte ich vielleicht in der Ugries-
kaja und vorher; die Theatersache, die einen ärgert
oder langweilt, meinetwegen erschüttert und nachher
zu Ende ist. Zum Heimweh gehört, Punkt eins,
liebevolles Denken an die Heimat. Ich hatte es als
zehnjähriger Junge in Burgsteinfurt, wo einmal eine
Selbstmordepidemie unter uns ausbrach. Im Grunde
eine Romantik, eine bessere Art Zahnschmerz. Ich
habe kein Heimweh, oder, wenn es doch so sein
sollte, bedeutet das für meinen Zustand nicht mehr,
als wenn einer außer galoppierender Schvindsucht
auch noch einen eingewachsenen Nagel hat. Was es
ist, weiß ich nicht, nur läßt es sich nicht mit einem
Ruck ausziehen. Nur habe ich es nicht seit gestern
oder vorgestern, sondern im Keim schon lange, schon
vor dem albernen Tag bei Jonne. Ich habe es wie
ein Gift im Leibe, eine Schweinerei im Hirn, eine
Verkleisterung des ganzen Systems. Jeden Tag wird
es schlimmer, und ich merke es. Die Entfernung
von zuhause hat den Zustand nur aufgedeckt,
nicht geschaffen. Der locus minoris resistentiae wrar
vorher da.
Denn angenommen, ich käme jetzt frei, nicht in
acht Tagen, aber zum Beispiel in vier Wochen, in
zwei Monaten. Länger kann es auch bei russischer
Bummelei nicht dauern. Gut, ich nehme den Zug
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