nach Beethoven warten konnte! Ach, mein armer
Engel!
Der Haß der Völker aufeinander ist nichts, am
wenigsten der, der zu dem Krieg getrieben haben
soll. So ein Blödsinn! Als wäre es Feindschaft,
Wut, ein Gefühl, was so ein Gewebe morsch macht.
Es fault einfach, ist zu alt, verschlissen, geht, weil
es nichts Besseres zu tun hat, wie alles einmal geht.
Selbst der Botokudenhaß nach dem Kriege ist nichts.
Man kann ihn sehen, die Hand davorhalten, kann
darüber lachen, sogar darauf stolz sein. Aber der
Haß, der in uns, auf uns ist und sein wird, der Haß
auf das Unsichtbare, der Eiter im Loche!
Ich war mit dem Oberst in dem Kloster, vier Werst
von der Stadt. Das Kloster eine bunte Geschichte
auf der Insel eines zugefrorenen weißen Waldsees,
mit einer Mauer umgeben. Eine lange Brücke fiihrt
hinüber. Diesseits niedrige Gebäude, wo die Wall-
fahrer übernachten. Im Sommer kommt man von
weit her. Ein ganz unwahrscheinlich langer, hagerer
Mensch ist der Prior, mindestens einen Kopf größer
als ich, mit meterlangem Bart um das byzantinische
Mosaikengesicht und wallenden Locken, dünn wie ein
Skelett. Wir sahen ihn in der kieinen Kirche. Wenn
er sich in seinem schwarzen Talar zu Boden neigte,
hatte man das Gefühl, hinspringen zu müssen. Er
war noch nicht alt, hatte überhaupt kein Alter und
große Augen. Manchmal kniete er nieder und kiißte
den Boden. Sicher hat dieser Prior auch so seinen
Baß. Er ist stumm, wenn er nicht singt. Als er
die Erde küßte, war nur ein Tuch am Boden, das
9 Meier-Graefe, Die weiße Straße.
129
Engel!
Der Haß der Völker aufeinander ist nichts, am
wenigsten der, der zu dem Krieg getrieben haben
soll. So ein Blödsinn! Als wäre es Feindschaft,
Wut, ein Gefühl, was so ein Gewebe morsch macht.
Es fault einfach, ist zu alt, verschlissen, geht, weil
es nichts Besseres zu tun hat, wie alles einmal geht.
Selbst der Botokudenhaß nach dem Kriege ist nichts.
Man kann ihn sehen, die Hand davorhalten, kann
darüber lachen, sogar darauf stolz sein. Aber der
Haß, der in uns, auf uns ist und sein wird, der Haß
auf das Unsichtbare, der Eiter im Loche!
Ich war mit dem Oberst in dem Kloster, vier Werst
von der Stadt. Das Kloster eine bunte Geschichte
auf der Insel eines zugefrorenen weißen Waldsees,
mit einer Mauer umgeben. Eine lange Brücke fiihrt
hinüber. Diesseits niedrige Gebäude, wo die Wall-
fahrer übernachten. Im Sommer kommt man von
weit her. Ein ganz unwahrscheinlich langer, hagerer
Mensch ist der Prior, mindestens einen Kopf größer
als ich, mit meterlangem Bart um das byzantinische
Mosaikengesicht und wallenden Locken, dünn wie ein
Skelett. Wir sahen ihn in der kieinen Kirche. Wenn
er sich in seinem schwarzen Talar zu Boden neigte,
hatte man das Gefühl, hinspringen zu müssen. Er
war noch nicht alt, hatte überhaupt kein Alter und
große Augen. Manchmal kniete er nieder und kiißte
den Boden. Sicher hat dieser Prior auch so seinen
Baß. Er ist stumm, wenn er nicht singt. Als er
die Erde küßte, war nur ein Tuch am Boden, das
9 Meier-Graefe, Die weiße Straße.
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