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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0179
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die Unterlage meines Bettes nicht mehr finden kann,
schlafe ich auf dem Boden. Es war eine Heiden-
kälte, aber ich schhef besser als in Mokrow.

Die Krepost ist kein Sanatorium, eher eine
Mistbude, ein Eisloch, eine Anstalt, um Fleck-
typhus und andere Sachen zu kriegen. Die Ugrieskaja
war golden. In der Ugrieskaja gab es Komfort,
einen Tisch, Schemel, fabelhafte Heizung, sogar eine
Beleuchtung. Das Teewasser ließ sich trinken. Es
gab den netten Einjährigen, die Frau des Komman-
danten, und man hatte nahezu Betten. Die Krepost
ist das Letzte, eine Gemeinheit, eine Schmach für
Rußland. Zufällig fehlt drei Tage lang das Holz.
Es wird nicht geheizt, und da, wo ich liege, in der
Mitte, ist in der Nacht eine Kälte wie in Mokrow
im Freien. Zufällig hackt der Tonnenfritze, der mit
seinem Schimmel das Wasser aus dem Irtisch bringt,
das Loch in das Eis an der Stelle, wo die Zuflüsse
der Stadt einmünden, dann bekommt der Tee einen
Beigeschmack. Wir haben außer den Pritschen
nichts, auf dem man sitzen kann, und die meisten
Pritschen stehen Rand an Rand, so daß man ge-
nötigt ist, im wesentlichen liegend stattzufinden.
Nach Sonnenuntergang ist es dunkel, und wer Kerzen
hat, muß auch noch das Glück haben, einen Platz
zu besitzen, wo er sie anleimen kann.

Die Krepost ist berühmt. Man braucht von
jemand nur zu hören, er war in der Krepost, dann
weiß man Bescheid. Sie war früher Gefängnis für
Sträflinge. Der russische Dichter Bostanjoglo hat
in der Krepost die berühmten Memoiren aus dem
 
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