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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0209
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zu lassen, es seien keine Konvois da. Im Vorraum
schliefen drei Kerls auf den Pritschen. Es war nicht
einzusehen, warum nicht einer mich begleiten konnte.
Es war sogar eine Frechheit. Ob so ein Stinktier
auch nur antwortete, wenn man um sein gutes Recht
kam. Einmal in der Woche hatte General Plafski das
Bad erlaubt. Mir hatte er noch ganz andere Dinge
erlaubt. Ich kriegte den Koller.

Der Feldwebel blinzelte mich an, und Kirchmayer
fragte, ob ich mit dem Hauptmann Sperling bekannt
sei. — Den Hauptmann Sperling hatte das Stink-
tier für vier Wochen in Einzelhaft gebracht. -—- Das
sei mir gerade angenehm! Einen Konvoi her, ja
oder nein! — Nun gab sich der Feldwebel russisch
ans BrüUen und tanzte in der Bude herum. Der
lange Zugführer hielt den Kopf schief, stand bewe-
gungslos, aber vollkommen aus dem Lot, ein ver-
bogener Zinnsoldat. Ich erhielt meinen Konvoi und
zog ab.

Auf der Brücke war es warm. Der Schmutz um
die Schiffe bewegte sich. Der nette österreichische
Rittmeister aus Galizien, der vor kurzem den Tod
seiner beiden Söhne erfahren hatte, ging über die
Brücke, zum Glück auf der anderen Seite. Ich hatte
ihm immer noch nichts gesagt.

Im Bad ging ich diesmal nicht in den Flur mit
den einfachen Wannenkabinen, wo ahes von Warten-
den voll stand, sondern stieg die Treppe höher in das
Dampfbad. Für anderthalb Rubel wurde man für
zwei Stunden Besitzer eines Einzeldampfbades und
hatte drei kleine Räume für sich allein. Zu be-
scheidenen Bedingungen konnte man sich außerdem
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