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wart und die Zukunft. Dass es in der Zeit, in der
wir leben, enthalten ist mit tiefen wunderbaren
Kräften, darüber lohnt nicht zu streiten. Ob es diese
Ausstellung enthält, das ist die Frage.

Ist es so, wie wir hoffen, so denken wir, wird
aus unserem Werk ein bescheidenes Dokument
werden, ein Durchschnitt durch die Kultur unserer
Zeit. Kulturell bedeutungsvoll ist schon die aus-
nahmslose Beteiligung der Völker an der Ausstellung.
Bei den merkwürdigen Verhältnissen des jüngsten
Frankreichs wäre es kein Wunder, wenn die eine
oder andere Nation gesagt hätte: ich spiele nicht mit.
Dass es nicht geschah, ist schon ein Triumph, nicht
für Frankreich, sondern für den modernen Gedanken.
Es war eben wichtig, hierherzukommen, wichtiger
als politische Affairen, wichtiger als der berühmte
Nationalhass und dergleichen. Heute können schon
sehr viele Leute der verschiedensten Rassen unge-
straft bei einander sein, zumal in einem so vergnüg-
lichen Käfig wie Paris; ja und sie können sogar
alle möglichen Vorteile von dieser Massenberührung
haben. Es dämmert eine Zeit, die in der Gemein-
schaftlichkeit die Stärke sucht. Es ist nicht gerade
das Christentum, das dieses Ideal plausibel gemacht
hat; es ist der Hunger, wenn man darunter auch
den Appetit auf köstliche Dinge versteht. Es werden
Besitztümer geschaffen, die sich von den traditio-
nellen Rassedifferenzen befreien; der Handel und
die Industrie sind mächtigere Regenten geworden,
als die schwankende Laune kriegliebender Herrscher.
Die Welt fängt an, sich friedlich zu regulieren.
Man begreift, dass die Frage, dass überhaupt Be-
sitztum da ist, wichtiger ist als die Entscheidung,
wem es gehört. Und vor diesem Gedanken er-
scheint uns die Ausstellung wie eine wohl organi-
sierte Freude an dem Besitz der heutigen Welt, als

ein Fest, das nicht das eine Volk auf Kosten des
anderen feiert, sondern mit dem wir über die Manen
der Vergangenheit triumphieren, über die Welt vor
hundert, zweihundert, tausend Jahren, die uns ferner
ist als Sonne und Mond und von der wir uns mit
immer neuer Freude immer weiter entfernen, sieges-
gewiss, einem besseren Geschick entgegenzugehen.
— — Um unsere Pläne vor unseren Lesern zu
entwickeln, bleibt uns nur der Weg, an den Einzel-
gebieten zu demonstrieren. Eine Bewältigung der
Aufgabe durch eine einzige Hand schloss sich von
vornherein aus. Der Verlag hat es sich angelegen
sein lassen, solche Fachleute als Hilfskräfte für die
Behandlung der Gebiete der Industrie und Spezial-
wissenschaften zu gewinnen, die ausser ihrem Fach
auch weiteren Interessen zugänglich sind. Der Heraus*
geber fügt sich nur ungern dem Wunsch, diese Mit-
arbeiter hier nicht zu nennen.*) Denn er erblickt ge-
rade in diesen Gebieten, vor allem in der Grossindustrie,
den Schwerpunkt. Wenn ausserdem auch die künstle-
rische Sphäre mit Liebe bedacht wird, so geschieht es
ebenfalls von dem Standpunkt, der in ihr Perspek-
tiven in die Zukunft sucht. Wir würden den ärgsten
Missgriff begehen, wenn wir an eine Ausstellung
des Weltgetriebes mit spezialästhetischen Kriterien
heranträten. Die Kunst im alten Sinne des Wortes,
d. h. als Abstraktum, hat hier nur die Bedeutung
eines Details. Wohl aber wird die Anschauungsart,
die über die Grenze zwischen Kunst und Leben
hinwegschreitet und in einer gelungenen Maschine
und einer vollendeten Skulptur nicht zwei ver-
schiedene Welten, sondern Produkte derselben Zeit
sieht, im folgenden sehr oft von Kunst zu reden
haben.

*) Die Aufsätze des Herausgebers sind mit seinen Initialen
gezeichnet.

DER HERAUSGEBER
 
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