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nackten Damen von der einen Front zu der andern
hinüberspringen könnten, so locker scheinen sie be-
festigt und so verlockend recken sie ihre getünchten
Glieder. Die Strasse ist immer noch 25 Meter breit.
Man hätte weiter in die Breite gehen können, denn
nach beiden Seiten, der nie de Constantine links
und der rue Fabert rechts, liegt noch Platz genug.
Aber die Pariser wollten nicht, dass man die Bäume
opferte, die hier stehen, und wie recht haben sie

D'EAU

Maschinenpalastes geschoben hat, dem berühmten
Chateau d'Eau. Man sieht die munteren Wasser nur chateau
mit der tötlichen Angst springen, dass dieser ganze
Zauber demnächst weggewaschen wird. Abbrechen
kann man hiervon nicht mehr sagen, man glaubt es
wegblasen zu können. So mag ein grössenwahn-
sinniger Konditor träumen; nur die Kunst des Torten-
aufbaues besitzt das Geheimnis, immer wieder ein
Eckchen zu finden, wo noch ein Zuckerpüppchen

MARSFELD

DAS CHATEAU D

gehabt Man hat daher diesen Platz zu kleineren
Annexen benutzt.

Und diese wenig schönen Paläste sind gerade dazu
bestimmt, die Gebiete zu umhüllen, die mit dem Haus,
seinem Aussen- und Innenschmuck, dem Mobiliar
und so weiter zusammenhängen. Der Flügel rechts
von den Invaliden gehört den französischen Industrien
dieser Art, der links den ausländischen. Beide
laufen nach der Brücke zu, in 2 portikusartige Ge-
bäude aus, die nach der Seine zu abschwenken.
In ihnen sind die französischen Manufakturen be-
herbergt. Sie stammen von Toudoire & Pradelle.

Wahre Orgien aber feiert dies in Gips tobende
Epigonentum auf dem Marsfeld. Vor allem in der
Krone des Ganzen, dem Riesengebilde, das sich vor die
Front des alten, fast möchte man sagen, ehrwürdigen

EAU MIT DEM DARUNTERLIEGENDEN PALAIS D'ELECTRICITE

Platz hat. Ein Riesenbaiser ist das Ganze mit einem
richtigen Spitzenaufsatz aus bemaltem Zucker da-
hinter, und wäre es zum Essen und mit Schlagsahne
gefüllt, wäre nichts dagegen einzuwenden. Das
Wasserschloss hat Paulin erbaut, darüber erhebet sich
die Fassade des Elektrizitätspalastes von E. Henard.
Wie so vielen verunglückten Projekten, lag auch
diesem Chateau d'Eau ein sehr vernünftiger Gedanke
zu Grunde, und zwar rein praktischer Art. Zur
Erzeugung und zur Kondensation der Dampf-
massen war ein enormes Quantum Wasser nötig.
Die gesamte, zu verschiedenen Zwecken verwandte
elektro-dynamische Kraft der Ausstellung beansprucht
12000 Pferdekräfte, die wiederum per Sekunde 12000
Liter Wasser brauchen. Es gab keinen Grund diese
Wassermenge zu verbergen, der Gedanke lag vielmehr

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