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die Natur im Allgemeinen nachzuahmen, sondern dass man das Gute
vom Schlechten durch die Wahl absondern müsse, um der Nach-
ahmung dadurch mehr Reiz zu verleihen; er begriff, dass die Kunst
die Natur nicht in ihrem ganzen Umfang nachzuahmen vermöge,
und dass er nicht die Natur, sondern vielmehr ihre Wirkung nach-
' uahmen habe. Dieses wohl beachtend verwandelte er seinen man-
gelhaften Geschmack in einen vollkommeneren, ansprechenderen,
und als er endlich zu der Einsicht gelangte, dass die wahre Nach-
ahmung nicht in der blossen Rundung der Theile bestehe, dass man
diese Rundung durch abwechselnde Formen unterbrechen müsse, so
errang er sich in Folge seiner Beobachtungen das Verdienst der
Entdeckung eines vor ihm wirklich flicht bekannten Geschmackes.
Er fing nun an, das der Malerei so viel Schönheit verleihende
Wellenförmige zur Anwendung zu bringen; hierbei waren ihm die
Umrisse der Personen seines Landes sehr erspriesslich, denn die
Lombarden sind gestaltet, wie die Figuren, die er malte. Rastlos
vorwärtsschreitend vervollkommnete er sich immer mehr, bis er end-
lich seinen Malereien den letzten Nachdruck gab, und sich einen,
von Niemand nach ihm erreichten originellen Geschmack gebildet
hatte. Die C a r r a c ci bemühten sich in seine Fussstapfen zu treten,
und diesen unverwandt und mit unablässigem Eifer zu folgen, aber
es gelang ihnen nieht, ihn zu erreichen. LudwigCarracci war
zu hart und einförmig; A im i b a 1 brachte nicht genug Abwechse-
lung in seine Formen, und da wo C orr e ggi o die Umrisse wellen-
förmig zeichnete, machte sie jener kreisförmig und nie convex;
des Colorits nicht zu erwähnen, denn dieses war bei den Carracci
beständig zu dunkel.
Correggio und Raphael konnten weniger erreicht wer-
den, weil sie sich auf die oberste Stufe der Kunst emporgeschwun-
gen hatten. Raphael war hinsichtlich des Ideals der Composition
einzig in seiner Art, und Correggio in Beziehung auf Licht und
Schatten, und einen Theil des Colorits. Wir wollen nun die wich-
tigsten Theile der Malerei des Correggio einzeln erörtern, und mit
der Zeichnung den Anfang machen.
die Natur im Allgemeinen nachzuahmen, sondern dass man das Gute
vom Schlechten durch die Wahl absondern müsse, um der Nach-
ahmung dadurch mehr Reiz zu verleihen; er begriff, dass die Kunst
die Natur nicht in ihrem ganzen Umfang nachzuahmen vermöge,
und dass er nicht die Natur, sondern vielmehr ihre Wirkung nach-
' uahmen habe. Dieses wohl beachtend verwandelte er seinen man-
gelhaften Geschmack in einen vollkommeneren, ansprechenderen,
und als er endlich zu der Einsicht gelangte, dass die wahre Nach-
ahmung nicht in der blossen Rundung der Theile bestehe, dass man
diese Rundung durch abwechselnde Formen unterbrechen müsse, so
errang er sich in Folge seiner Beobachtungen das Verdienst der
Entdeckung eines vor ihm wirklich flicht bekannten Geschmackes.
Er fing nun an, das der Malerei so viel Schönheit verleihende
Wellenförmige zur Anwendung zu bringen; hierbei waren ihm die
Umrisse der Personen seines Landes sehr erspriesslich, denn die
Lombarden sind gestaltet, wie die Figuren, die er malte. Rastlos
vorwärtsschreitend vervollkommnete er sich immer mehr, bis er end-
lich seinen Malereien den letzten Nachdruck gab, und sich einen,
von Niemand nach ihm erreichten originellen Geschmack gebildet
hatte. Die C a r r a c ci bemühten sich in seine Fussstapfen zu treten,
und diesen unverwandt und mit unablässigem Eifer zu folgen, aber
es gelang ihnen nieht, ihn zu erreichen. LudwigCarracci war
zu hart und einförmig; A im i b a 1 brachte nicht genug Abwechse-
lung in seine Formen, und da wo C orr e ggi o die Umrisse wellen-
förmig zeichnete, machte sie jener kreisförmig und nie convex;
des Colorits nicht zu erwähnen, denn dieses war bei den Carracci
beständig zu dunkel.
Correggio und Raphael konnten weniger erreicht wer-
den, weil sie sich auf die oberste Stufe der Kunst emporgeschwun-
gen hatten. Raphael war hinsichtlich des Ideals der Composition
einzig in seiner Art, und Correggio in Beziehung auf Licht und
Schatten, und einen Theil des Colorits. Wir wollen nun die wich-
tigsten Theile der Malerei des Correggio einzeln erörtern, und mit
der Zeichnung den Anfang machen.