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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Editor]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 1) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.6323#0210
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— 194 —

die Schuld; dass sogar Vasari von seinen und den Lebensumstän-
den der übrigen lombardischen Maler so wenig gut unterrichtet war.
Neid; dessen ihn Mehrere beschuldigen, möchte ich weniger dahin
rechnen, denn Vasari spricht auch bei den gleichgültigsten Dingen,
welche den Correggio betreffen, z. B. bei dem Inhalt und der Be-
schreibung seiner Gemälde, sehr zweideutig und unwahr von ihm,
wie dies namentlich aus den Nachrichten über die Werke hervor-
geht, welche Correggio für den Herzog von Mantua verfertigte.
Wenn Vasari sagt, dass Correggio in der Ausführung
mehr Verdienst als in der Zeichnung habe, so glaube
ich nicht, dass er damit zu verstehen geben will, er habe sc hie cht
gezeichnet, sondern nur, dass er sich selbst aus Eigenliebe für einen
bessern Zeichner hielt und nur in Ansehung der Malerei Correggio
einen gewissen Vorzug einräumte. Die toskanische Schule wird ge-
gen Niemand eingestehen, dass er ebenso guthabe zeichnen können,
wie sie, und so glaube ich fest, dass Vasari nuj sagen wollte: Cor-
reggio habe nicht so gut wie Michel Angelo, dieser Held Toskanas,
gezeichnet. Dies wird auch durch eine andere Stelle Vasari's be-
kräftigt, wo er sagt, dass die Zeichnungen des Cor-
reggio in einer guten Manier und meisterhaft aus-
geführt Seyen. Sonderbar aber ist, dass dieser Schriftsteller
an unserem Meister besonders die Ausführung der Haare lobt, aus-
serdem aber nichts Lobenswerthes findet; und noch weit sonder-
barer ist, dass er Correggio's Verdienst den blossen Gaben der
Natur zuschreibt. Dies ist ein grosser Irrthum, denn es soll auch
das angeborene Genie sehr viel vermögen. Jeder weiss gleich-
wohl aus Erfahrung, dass ein Genie ohne Studium nicht hinreichend
ist, einen Maler wie Correggio *) zu bilden, der in einem Alter von
dreissig Jahren einen neuen und den geschmackvollsten Styl erfand,
den man jemals kennen gelernt hat. Michel Angelo, der gewiss
ein tüchtiges Genie war, hat seine Kunst sich nicht selbst zu ver-
danken, und er würde niemals sammt seinem Genie die Gränzen
des trockenen und sclavischen Styls, der bis zu seiner Zeit in Italien
herrschte, überschritten haben, hätte er nicht das emsigste Studium

*} Natura fieret Iaudabile Carmen an arte

Quaesitum est. Ego nec Studium sine divite Vena,
Nec rude quid prosit video ingenium: alterius sie
.Altera poscit opem res, et conjurat amice.
 
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