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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Hrsg.]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 1) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.6323#0214
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noch fähig ist, die Grundsätze der Kunst zu erlernen. Uebung
und Erlangung eines richtigen Blickes aber sind auf die Zeit be-
schränkt, in welcher man noch keine bestimmte Manieren ange-
nommen hat, die, wenn sie auf MissgrifFen beruhen, sich in spä-
teren Jahren nicht mehr vertilgen lassen.

Die versclüedenen Classen der Maler müssen also beim Lesen
dieser Schrift verschiedene Zwecke im Auge haben. —

Der Schüler soll dieselbe lesen, um daraus den Umfang und
die Schwierigkeiten der Kunst kennen zu lernen, damit er eile und
seine Zeit nicht mit Erlernung unnützer Dinge vergeude. Denn
obgleich die ersten Anfangsgründe die wirklichen Materialien und
das Fundament der Kunst bilden, so sind sie doch erst von wesent-
lichem Nutzen, wenn auch die übrigen Theile des ganzen Kunstge-
bäudes verbunden werden.

Für die zweite Classe der Maler, nämlich für diejenigen,
welche die ersten Anfangsgründe bereits erlernt haben, ist diese
Schrift abgefasst, damit sie den wahren Geschmack erkennen lernen
und dann urtheilen mögen, ob sie denselben von Natur besitzen oder
nicht, und damit sie auch wissen, nach welchen Mustern sie den
Geschmack zu studiren und sich auszubilden haben.

Vollkommenen Künstlern erspriesst daraus der Vortheil, dass
sie die Schönheiten in den Werken der grossen Meister aufzusuchen,
und jungen Leuten den rechten Weg zur Kunst zu zeigen im
Stande sind.

Ich rede unumwunden, weil der Nutzen, den die Menschen
in Folge von Erfahrungen kennen gelernt haben, am besten von
der Warheit und dem Werthe der Dinge überzeugt. Dies habe
ich an mir selbst erprobt, und daher auch all' mein Wissen auf die-
sem Wege und nur durch diese Denkungsart errungen.

Gerne bin ich erbötig, meinen Landsleuten, den Deulschen,
über einige Punkte die ihnen unklar scheinen möchten, weitere
Erläuterungen zu geben. Sollte ich mich aber da oder dort geirrt
haben, so werde ich mich durch keinen zweckwidrigen Ehrgeiz
abhalten lassen, meine Fehler zu bekennen, sobald ich zur Ein-
sicht derselben gelangt bin. Und im Uebrigen soll es mein eifrigstes
Bestreben seyn, meine Gedanken und Ansichten mit möglichster
Deutlichkeit auseinander zu setzen.
 
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