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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Editor]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 2) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.6324#0133
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— 127 —

Studirte und nachahmte. Als er sich ein wenig gefasst hatte, fragte
er den Cavalier, worauf er denn sein Urtheil gründe? „Ich ver-
misse die Winkel, welche Correggio's Werke ganz eigentümlich
charakterisiren ," antwortete, jener. Mengs und seine Schüler, die
gegenwärtig waren, sahen einander an und lächelten. „Das ist ein
ganz neues Kennzeichen, einen Correggio zu erkennen," versetzte
Mengs; „indessen werde ich diese Bemerkung nie vergessen." —
„Sie werden wohl daran thun", sprach der Cavalier. „ Ueberhaupt
sollten die Herrn Maler nicht glauben, dass sie allein im Stande
seyen , über Gemälde zu urtheilen." — Das Gespräch wurde abge-
brochen, das Bild aber nicht gekauft. Gegenwärtig befindet es sich
im Cabinet des Königs von Preussen, der dem Herrn Harzer, wel-
cher es in Kom für ihn kaufte, die schmeichelhaftesten Danksagun-
gen dafür machte.

So hatte sich dieser Cavalier, der sonst viele Verdienste besass,
von einem Gemäldekrämer bethören lassen. Die Winkel des Correg-
gio! — Fast alle grosse Herren werden auf diese Art hintergangen.
Der Künstler kann dabei in eine sehr unangenehme Lage versetzt
werden. Widerspricht er, so hat er sich einen mächtigen Feind ge-
macht. Bejaht er, so entehrt er sich in seinen eigenen und aller
Kenner Augen.

Die Bemerkung, dass nicht bloss der Künstler allein über An-
gelegenheiten der Kunst urtheilen könne, ist völlig wahr; doch muss
man einigermaassen in die Geheimnisse derselben eingeweiht seyn,
um ein sicheres Urtheil fällen zu können. Da der Mechanismus einen
so wichtigen Tlieil der Kunst ausmacht, so ist diese Sicherheit des
Urtheils natürlicher Weise viel weniger bei Andern als bei Künstlern
selbst zu suchen. Aber unter diesen wollen auch die erbärmlichsten
Stümper sich zu Bichtern aufwerfen und haben nicht selten die Ver-
messenheit, die grössten Künstler Lügen zu strafen, um ihr leidiges
Selbst geltend zu machen. Mengs erfuhr diese Denuithigung mehr
als einmal. Ein Beispiel davon macht dem Markgrafen von B * *
dessen schon gedacht worden ist, viel Ehre. Mengs, der ihn und
seine Gemahlin zu Kom überall begleitete, sah mit ihnen bei Placido
Constanza, einem der besten dortigen Maler, ein Meisterstück von
Guido, dessen Manier, besonders die letztere, wie bekannt nicht zu
verkennen ist. Auf seinen Rath wurde das Gemälde gekauft. Der
Markgraf hielt sich für überzeugt, ein Original mehr, und überdiess
 
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