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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Editor]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 2) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.6324#0136
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erhcbungen wundern, die man dieser Statue spendet; denn alle übri-
gen , obgleich sie viel richtiger sind , erscheinen bei Vergleicliung
frostig und leblos. Ich spreche hier von den Statuen der geschick-
testen Bildbauer, welche zu Venedig und Florenz zu treffen sind,
denn die zu Piacenza, die Werke des ßernini in Horn , und die des
Cornacchini verdienen keine Beachtung.

Keiner, der mit dem wahren antiken Styl vertraut ist, wird be-
haupten wollen, man habe zur Zeit des Marcus Aurelius Werke der
ersten Classe verfertigt; zahlt man das Pferd des Marcus Aurelius
zu dieser Kategorie, so geschieht dies nur vergleichungsweise; Sie
wissen wohl, dass Leute von Geschmack nicht die fehlerfreien Werke,
sondern gerade diejenigen bewundern, welche den Stempel des Aus-
serordentlichen , Bedeutungsvollen an sich tragen. Das Pferd des
Marcus Aurelius bezaubert uns, weil in seinem Ausdruck grosse Leb-
haftigkeit liegt, und vielleicht gerade was Sie fehlerhaft nennen, die
Stellung der Fiisse, gibt ihm diese Bewegung , diesen vortrefflichen
Ausdruck, der nicht dem gewöhnlichen Mechanismus entspringt, son-
dern Folge eines vorübergehenden Zustandes ist, worin sich das Thier
nur einen Augenblick aufrecht erhalten kann.

Was den Reiter betrifft, so ist dieser nicht als ein Mann dar-
gestellt, der schon zu Pferd sitzen will, sondern als ein Kaiser, der
wohlwollend , um dem Volk nach der Weise der Alten den Frieden
anzudeuten, die rechte Hand ausstreckt, und mit der linken das Pferd
im Zügel hält.

Ich bin zwar nicht so gut in den Eigenschaften und Bewegun-
gen der Pferde bewandert, wie Sie, weil es mir an Gelegenheit man-
gelte, dieselben besonders zu studiren; allein aus der Kenritniss der
Bewegung des Menschen, den ich studirt habe, entnehme ich, wie man
in der Kunst bei den Pferden zu verfahren hat. Ich habe in Rom
einige Künstler gekannt, welche an den classischen Werken der Alten
kritisirten, und wenn sie den vaticanischen oder medieeischen Apoll
copirten, der Meinung waren, sie konnten dadurch etwas daran ver-
bessern, dass sie Bleilolhe von ihm herabfallen Hessen; aber hier-
durch ging sogleich der grüssfe Theil der Schönheit des Originals
verloren — doch dieser Gegenstand gehört nicht hierher.

Ihre Behauptungen über meinen Freund Winkelniann haben
mich hauptsächlich zu diesem Schreiben bewogen. Es ist mir das,
was Sie sagen, um so schmerzlicher gewesen, als Ihr Widerwille
 
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