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auch ebenso unbillig, nichts zu seiner Rechtfertigung anzuführen,
wo man mit Gründen gewännet ist. Win keim an n war kein un-
trüglicher Richter, und er gehörte auch nicht unserer Kunst an;
verhielte es sich aber anders, wäre er gewesen , wie wir übrigen
Künstler, sind denn wir versichert, dass wir stets richtig urtheilen?
Besässen wir ein so schönes Vorrecht, so würden alle unsere Werke
vollkommen seyn; denn es fehlt uns nicht au Gelegenheit, Vollkom-
menes zu leisten, sondern nur an der Urtheilskraft, und täglich ge-
schieht es, dass wir Werke ausarbeiten, die wir später selbst ver-
dammen.
Was Winkelmann von dem Kopfe an dem Pferde des Mar-
cus Aurelius sagt, ist vielleicht nach unseren gegenwärtigen Begriffen
von der Schönheit dieses Thieres ungegründet; allein ziehen Sie in
Betracht, dass man bei keinem alten Denkmal einen Pferdekopf von
Schafgestalt findet, und doch Haucht uns diese Form in Spanien,
Carnano genannt, sehr schön. Ich glaube deshalb, dass die Alten
den Kopf eines Pferdes für schön hielten, wenn er einem Ochsenkopf
ähnlich war, wie der berühmte Bucephalus des Alexander. Winkel-
mann schrieb Einiges, ehe er die Antike nach ihrem ganzen Umfang
kannte; aber dieser rechtschaffene Mann war nach meiner innigsten
Ueberzeugung unfähig, aus menschlichen Absichten die Wahrheit
irgend einem Interesse zu opfern.
Ueber die Stelle aus dem Plutarch, welche Winkclmann an-
führt, kann ich nicht nach dem griechischen Texte urtheilen ; aber
alle Gelehrten Italiens stimmen darin überein, dass Winkelmann die-
ser Sprache kundig ist, und ich kann dies also auch nicht bezwei-
feln. Erlauben Sie mir übrigens die Bemerkung, dass es der fran-
zösischen Uebersetzung von der Geschichte der Kunst an Ge-
nauigkeit ermangelt, denn die Kunstsprache ist ganz vernachlässigt
und findet sich nicht so im deutschen Original; überdies scheint mir
die buchstäbliche Uebersetzung , welche Sie S. 53 anführen , nicht
mit dem Charakter der Originalsprache übereinzustimmen; ich kann
nicht glauben, dass sich je ein Grieche des Ausdrucks Portrait-
maler bedient hat, und Winkelmann übersetzt nicht sowohl die
Worte, als vielmehr den Sinn des Plutarch. Man lässt sich gar
leicht Zweideutigkeiten zu Schulden kommen; zum Belege führe ich
an, dass Sie sich selbst bei Citation der Note S. 54 geirrt haben,
indem Sie da, wo Winkelmann nur von mir spricht, eine Besprechung
auch ebenso unbillig, nichts zu seiner Rechtfertigung anzuführen,
wo man mit Gründen gewännet ist. Win keim an n war kein un-
trüglicher Richter, und er gehörte auch nicht unserer Kunst an;
verhielte es sich aber anders, wäre er gewesen , wie wir übrigen
Künstler, sind denn wir versichert, dass wir stets richtig urtheilen?
Besässen wir ein so schönes Vorrecht, so würden alle unsere Werke
vollkommen seyn; denn es fehlt uns nicht au Gelegenheit, Vollkom-
menes zu leisten, sondern nur an der Urtheilskraft, und täglich ge-
schieht es, dass wir Werke ausarbeiten, die wir später selbst ver-
dammen.
Was Winkelmann von dem Kopfe an dem Pferde des Mar-
cus Aurelius sagt, ist vielleicht nach unseren gegenwärtigen Begriffen
von der Schönheit dieses Thieres ungegründet; allein ziehen Sie in
Betracht, dass man bei keinem alten Denkmal einen Pferdekopf von
Schafgestalt findet, und doch Haucht uns diese Form in Spanien,
Carnano genannt, sehr schön. Ich glaube deshalb, dass die Alten
den Kopf eines Pferdes für schön hielten, wenn er einem Ochsenkopf
ähnlich war, wie der berühmte Bucephalus des Alexander. Winkel-
mann schrieb Einiges, ehe er die Antike nach ihrem ganzen Umfang
kannte; aber dieser rechtschaffene Mann war nach meiner innigsten
Ueberzeugung unfähig, aus menschlichen Absichten die Wahrheit
irgend einem Interesse zu opfern.
Ueber die Stelle aus dem Plutarch, welche Winkclmann an-
führt, kann ich nicht nach dem griechischen Texte urtheilen ; aber
alle Gelehrten Italiens stimmen darin überein, dass Winkelmann die-
ser Sprache kundig ist, und ich kann dies also auch nicht bezwei-
feln. Erlauben Sie mir übrigens die Bemerkung, dass es der fran-
zösischen Uebersetzung von der Geschichte der Kunst an Ge-
nauigkeit ermangelt, denn die Kunstsprache ist ganz vernachlässigt
und findet sich nicht so im deutschen Original; überdies scheint mir
die buchstäbliche Uebersetzung , welche Sie S. 53 anführen , nicht
mit dem Charakter der Originalsprache übereinzustimmen; ich kann
nicht glauben, dass sich je ein Grieche des Ausdrucks Portrait-
maler bedient hat, und Winkelmann übersetzt nicht sowohl die
Worte, als vielmehr den Sinn des Plutarch. Man lässt sich gar
leicht Zweideutigkeiten zu Schulden kommen; zum Belege führe ich
an, dass Sie sich selbst bei Citation der Note S. 54 geirrt haben,
indem Sie da, wo Winkelmann nur von mir spricht, eine Besprechung