Agustinus de Senis. _147
Ihren Vorfahren schreibt er den berühmten Brun-
nen Fontebranda, den Dante (Inferno XXX, 78)
als ein schwer zu entbehrendes Gut anführt, und
die Dogana zu. Jener soll 1190, diese 1191 aus-
geführtsein. Ersterer ist aber erst 1193 von einem
Meister Bellamino, über dessen Verwandt-
schaft mit Agostino und Agnolo nichts erhellt,
verschönert, und der Bau der Dogana erst 1194
begonnen. (Von dem Brunnenhause der Fonte
Branda ist 1802 der obere Theil bis auf die drei
untern Bögen abgetragen. Eine Abbildung aber
des noch Vorhandenen bei Ramboux [Beitr. zur
K.-Gesch. des Mittelalt. 63] zeigt, dass die Bö-
gen gothisch sind und also einer spätem Er-
neuerung angehören).
Weiter erzählt Vasari, Agostino hätte sich in
seinem 15. Jahre bei Giovanni Pisano in die
Lehre begeben, als dieser 1284 auf der Rückreise
von Neapel nach Pisa sich in Siena aufhielt, um
zu der Fassade des Doms die Zeichnung zu ma-
chen und den Grund zu legen. Er hätte alle seine
Mitschüler übertroffen, und schon in demselben
Jahre an dem Hochaltar im Dom zu Arezzo ge-
holfen, so dass der Meister ihn für sein rechtes
Auge erklärt hätte. Agnolo sei dann, von sei-
nem ältern Bruder veranlasst, in dieselbe Lehre
eingetreten. Als beide darauf in Orvieto einige
Propheten an der Domfassade ausgeführt hätten,
sei Giotto durch die Vortrefflichkeit dieser Ar-
beit bewogen worden, sie dem Bruder des Guido
Tarlati, dem Piero Saccone von Pietramala, zur
Ausführung seines Entwurfes des Grabmals zu
empfehlen. Hiernach wäre Agostino nahezu 60
Jahr alt gewesen, als er diese Arbeit ausführte,
was kaum denkbar ist (nach Vasari währte die
Arbeit 3 Jahre, von 1327— 1330). In Orvieto
kommt aber erst 1338 Giovanni, der Sohn unse-
res Meisters, in Vollmacht seines Vaters (Della
Valle, Lett. Sen. II. 134) vor, u. erst 1405 neben
einem Agostino von Siena auch ein Agnolo von
dort (Duomo di Orv. p. 380. 382), der als ein
vorzüglicher Meister von Pisa berufen und als
Obermeister angestellt wurde. Durch Verglei-
chung aber mit dem Grabmal des Tarlati an der
Domfassade zu Orvieto die von Agostino und
Agnolo gearbeiteten Propheten herausfinden zu
wollen, wäre ein gewagtes Unternehmen.
Vollends verdächtig wird die ganze Erzählung
des Vasari durch die übrigen erwiesenen Irrthii-
mer. Die Angabe, dass Agostino zu dem an der
Strasse des Malborghetto gelegenen Theile des
Stadthauses, der 1307—1310 erbaut wurde, die
Zeichnung geliefert habe, findet wenigstens keine
Bestätigung durch archivalische Nachrichten.
Dasselbe gilt von dem Bau der nicht völlig voll-
endeten hintern Domfassade 1317 (eine Restau-
ration derselben nach dem Original-Entwurf im
Domarchiv zu Siena, von F. Arnold inErbkam’s
Zeitschr. f. Bauwesen VII. 51, Bl. 12 und
Kugler, Gosch, der Bank. III. 544), des Thores
Sta Agata all’ Arco oder dei Tufi 1325, und der
Kirche und des Klosters S. Francesco. Bei an-
dern Angaben ist jedenfalls das Datura nicht
richtig. So ist die Porta Romana nicht von 1321
bis 1326 gebauet, sondern erst 1327 begonnen,
und in demselben Jahre ist der Bau des grossen
Rathssaales ausgeführt, den Vasari erst 1340
ansetzt. Als falsch erwiesen ist aber die Angabe
von einer Bildhauerarbeit, welche die beiden
Brüder 1329 in S. Francesco zu Bologna gemacht
haben sollen. Das grosse Altarwerk mit der Krö-
nung der Maria ist urkundlich erst 1388 bei den
Venezianern Jacobello und Pietro Paolo delle
Massegne bestellt (s. den Art. Massegne). Damit
fällt auch die Angabe, dass Agostino u. Agnolo
bei Gelegenheit ihres Aufenthalts in Bologna die
Verwüstungen des Po reparirt und den Fluss
eingedämmt hätten.
Ferner soll Agnolo in der Unterkirche von
S. Francesco zu Assisi eine Kapelle mit dem
Grabmal des Franciskaners und Kardinals Giov.
Gaetano Orsino ausgeführt haben; dieses Grab-
mal soll sich hinter dem Altar der Kapelle S.
Giuseppe befinden. Der Kardinal starb zwar
1339 zu Avignon; doch kann seine Leiche nach
Assisi gebracht, die Kapelle für andere Mitglie-
der der Familie Orsini erbaut sein. Die Gemälde,
mit denen ihre Wände geschmückt sind, ent-
sprechen wenigstens dieser Zeit (Crowe et Ca-
valc. Paint. in It. I. 420). Diese Angabe des Va-
sari könnte also richtig sein.
Wenn Vasari in einem Anhänge zum Leben
des Girolamo da Carpi auch noch die Area di S.
Agostino in Pavia, die aus S. Pietro in Cielo
d’Oro in den Dom versetzt ist, als ein Werk der
sienesischen Brüder aufführt, so verdient das
kaum Beachtung, da das Werk erwiesener Mas-
sen erst 1362 begonnen wurde und 1397 noch
nicht vollendet war. Ohne allen Grund ist end-
lich eine neuere Behauptung, wonach die angeb-
lichen Sieneser Brüder das Grabmal der Savclli
in Sta Maria in Aracocli zu Rom nach Giotto’s
Zeichnung ausgeführt haben sollen, während da-
rin Mitglieder der Familie aus den Jahren 1266
— 1306 beigesetzt sind (Crowe ctCavalc. a. a. O.
I. 102).
Nachdem sich also der Bericht des Vasari als
durchaus unzuverlässig erwiesen hat, ist wol
auch der Aufzählung einer Reihe von Baumei-
stern, Bildhauern und besonders Goldschmieden,
welche Schüler der beiden Sicncscn gewesen sein
sollen, nicht unbedingt Glauben zu schenken,
III, Agostino di maestro Giovanni.
Dieser Meister, der unter den Architekten und
Bildhauern Namens Agostino in Siena der her-
vorragendste ist, war aller Wahrscheinlich-
keit nach der Agustinus do Senis, der sich auf
dem Grabmal des Guido verzeichnet findet.
Agostino verheirathete sich 1310 mit Lagina di
Nese und st. 1350 (aus einem Dokumente vom
18. Nov. d. J. erhellt, dass er damals nicht mehr
am Leben war). Er hatte vorzüglichen Antheil
an dem Bau der sienesischen Festung- Massa di
19*
Ihren Vorfahren schreibt er den berühmten Brun-
nen Fontebranda, den Dante (Inferno XXX, 78)
als ein schwer zu entbehrendes Gut anführt, und
die Dogana zu. Jener soll 1190, diese 1191 aus-
geführtsein. Ersterer ist aber erst 1193 von einem
Meister Bellamino, über dessen Verwandt-
schaft mit Agostino und Agnolo nichts erhellt,
verschönert, und der Bau der Dogana erst 1194
begonnen. (Von dem Brunnenhause der Fonte
Branda ist 1802 der obere Theil bis auf die drei
untern Bögen abgetragen. Eine Abbildung aber
des noch Vorhandenen bei Ramboux [Beitr. zur
K.-Gesch. des Mittelalt. 63] zeigt, dass die Bö-
gen gothisch sind und also einer spätem Er-
neuerung angehören).
Weiter erzählt Vasari, Agostino hätte sich in
seinem 15. Jahre bei Giovanni Pisano in die
Lehre begeben, als dieser 1284 auf der Rückreise
von Neapel nach Pisa sich in Siena aufhielt, um
zu der Fassade des Doms die Zeichnung zu ma-
chen und den Grund zu legen. Er hätte alle seine
Mitschüler übertroffen, und schon in demselben
Jahre an dem Hochaltar im Dom zu Arezzo ge-
holfen, so dass der Meister ihn für sein rechtes
Auge erklärt hätte. Agnolo sei dann, von sei-
nem ältern Bruder veranlasst, in dieselbe Lehre
eingetreten. Als beide darauf in Orvieto einige
Propheten an der Domfassade ausgeführt hätten,
sei Giotto durch die Vortrefflichkeit dieser Ar-
beit bewogen worden, sie dem Bruder des Guido
Tarlati, dem Piero Saccone von Pietramala, zur
Ausführung seines Entwurfes des Grabmals zu
empfehlen. Hiernach wäre Agostino nahezu 60
Jahr alt gewesen, als er diese Arbeit ausführte,
was kaum denkbar ist (nach Vasari währte die
Arbeit 3 Jahre, von 1327— 1330). In Orvieto
kommt aber erst 1338 Giovanni, der Sohn unse-
res Meisters, in Vollmacht seines Vaters (Della
Valle, Lett. Sen. II. 134) vor, u. erst 1405 neben
einem Agostino von Siena auch ein Agnolo von
dort (Duomo di Orv. p. 380. 382), der als ein
vorzüglicher Meister von Pisa berufen und als
Obermeister angestellt wurde. Durch Verglei-
chung aber mit dem Grabmal des Tarlati an der
Domfassade zu Orvieto die von Agostino und
Agnolo gearbeiteten Propheten herausfinden zu
wollen, wäre ein gewagtes Unternehmen.
Vollends verdächtig wird die ganze Erzählung
des Vasari durch die übrigen erwiesenen Irrthii-
mer. Die Angabe, dass Agostino zu dem an der
Strasse des Malborghetto gelegenen Theile des
Stadthauses, der 1307—1310 erbaut wurde, die
Zeichnung geliefert habe, findet wenigstens keine
Bestätigung durch archivalische Nachrichten.
Dasselbe gilt von dem Bau der nicht völlig voll-
endeten hintern Domfassade 1317 (eine Restau-
ration derselben nach dem Original-Entwurf im
Domarchiv zu Siena, von F. Arnold inErbkam’s
Zeitschr. f. Bauwesen VII. 51, Bl. 12 und
Kugler, Gosch, der Bank. III. 544), des Thores
Sta Agata all’ Arco oder dei Tufi 1325, und der
Kirche und des Klosters S. Francesco. Bei an-
dern Angaben ist jedenfalls das Datura nicht
richtig. So ist die Porta Romana nicht von 1321
bis 1326 gebauet, sondern erst 1327 begonnen,
und in demselben Jahre ist der Bau des grossen
Rathssaales ausgeführt, den Vasari erst 1340
ansetzt. Als falsch erwiesen ist aber die Angabe
von einer Bildhauerarbeit, welche die beiden
Brüder 1329 in S. Francesco zu Bologna gemacht
haben sollen. Das grosse Altarwerk mit der Krö-
nung der Maria ist urkundlich erst 1388 bei den
Venezianern Jacobello und Pietro Paolo delle
Massegne bestellt (s. den Art. Massegne). Damit
fällt auch die Angabe, dass Agostino u. Agnolo
bei Gelegenheit ihres Aufenthalts in Bologna die
Verwüstungen des Po reparirt und den Fluss
eingedämmt hätten.
Ferner soll Agnolo in der Unterkirche von
S. Francesco zu Assisi eine Kapelle mit dem
Grabmal des Franciskaners und Kardinals Giov.
Gaetano Orsino ausgeführt haben; dieses Grab-
mal soll sich hinter dem Altar der Kapelle S.
Giuseppe befinden. Der Kardinal starb zwar
1339 zu Avignon; doch kann seine Leiche nach
Assisi gebracht, die Kapelle für andere Mitglie-
der der Familie Orsini erbaut sein. Die Gemälde,
mit denen ihre Wände geschmückt sind, ent-
sprechen wenigstens dieser Zeit (Crowe et Ca-
valc. Paint. in It. I. 420). Diese Angabe des Va-
sari könnte also richtig sein.
Wenn Vasari in einem Anhänge zum Leben
des Girolamo da Carpi auch noch die Area di S.
Agostino in Pavia, die aus S. Pietro in Cielo
d’Oro in den Dom versetzt ist, als ein Werk der
sienesischen Brüder aufführt, so verdient das
kaum Beachtung, da das Werk erwiesener Mas-
sen erst 1362 begonnen wurde und 1397 noch
nicht vollendet war. Ohne allen Grund ist end-
lich eine neuere Behauptung, wonach die angeb-
lichen Sieneser Brüder das Grabmal der Savclli
in Sta Maria in Aracocli zu Rom nach Giotto’s
Zeichnung ausgeführt haben sollen, während da-
rin Mitglieder der Familie aus den Jahren 1266
— 1306 beigesetzt sind (Crowe ctCavalc. a. a. O.
I. 102).
Nachdem sich also der Bericht des Vasari als
durchaus unzuverlässig erwiesen hat, ist wol
auch der Aufzählung einer Reihe von Baumei-
stern, Bildhauern und besonders Goldschmieden,
welche Schüler der beiden Sicncscn gewesen sein
sollen, nicht unbedingt Glauben zu schenken,
III, Agostino di maestro Giovanni.
Dieser Meister, der unter den Architekten und
Bildhauern Namens Agostino in Siena der her-
vorragendste ist, war aller Wahrscheinlich-
keit nach der Agustinus do Senis, der sich auf
dem Grabmal des Guido verzeichnet findet.
Agostino verheirathete sich 1310 mit Lagina di
Nese und st. 1350 (aus einem Dokumente vom
18. Nov. d. J. erhellt, dass er damals nicht mehr
am Leben war). Er hatte vorzüglichen Antheil
an dem Bau der sienesischen Festung- Massa di
19*