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Meyer, Julius; Fiedler, Conrad [Editor]
Zur Geschichte und Kritik der modernen deutschen Kunst: gesammelte Aufsätze — Leipzig: Grunow, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.49260#0037
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XXIX

angeregt fand. Es war ein langer Weg, den er zurückgelegt
hatte. Wenn er zurücksah auf die Wandlung, die er in seiner
innersten Beziehung zur Kunst erfahren hatte, so mußte er
sich sagen, daß er das Leben seiner Zeit mitgelebt hatte; mit
ihr hatte er sich getrennt von den Fundamenten, auf denen
sich im Zusammenhänge einer frühem Lebensanschauung die
Bedeutung der Kunst für die Welt aufbaute; mit ihr hatte
er, dem allgemeinen Zuge folgend, auf den Wegen gelehrter
Forschung eine neue Beziehung zur Kunst gewinnen wollen,
mit ihr war ihm inmitten eines sich immer reicher gestaltenden
geistigen Lebens der Drang nach Wiedergewinnung des künst-
lerischen Einflusses auf das Leben ungestillt geblieben. Was
ihn aber in einer gewissen Richtung über die Zeit erhob, war,
daß die Forderung einer künstlerischen Geisteskultur in ihm
eine sehr bewußte geworden war und eine bestimmte Gestalt
gewonnen hatte. Bei aller Würdigung der außerordentlichen
Leistungen, die der entwickelte wissenschaftliche Geist der Welt
gebracht hatte, durchschaute er doch vollständig die Mängel,
die mit einer so einseitigen Steigerung menschlicher Geistes-
kraft verbunden sein mußten. Wo Andre nur unendlichen
Fortschritt sahen, da entging ihm nicht die Verkümmerung,
der das geistige Leben trotz so unleugbaren Fortschreitens doch
wiederum anheimfiel. Auch war er viel zu fein organisiert,
um von einer äußerlichen Kunftpflege, von einer bloßen Zu-
nahme der Beschäftigung mit Kunst, von dem Bestreben, der
Kunst einen größern Raum im Leben einzuräumeu, Abhilfe
zu erwarten. Er sah alles dies reichlich gedeihen und doch
die künstlerische Roheit in allen Schichten der Gesellschaft, auf
den Höhen der Bildung so gut, ja eher mehr noch als in
den breiten Massen des Volks zunehmen. Er war dadurch
befähigt, die Untersuchungen Hildebrands als ein Zeichen an-
zusehen, wie man beginne, sich darauf zu besinnen, daß der
 
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