Die Abteikirche zu Hersfeld.
7
von unvermeidlichen Zerstörungen durch das Wetter,
zeigt das Mauerwerk nirgend erhebliche Schäden und
muss sogar als vorzüglich erhalten bezeichnet werden.
Sollte ein nicht berichteter Brand so verheerend ge-
wirkt haben, dass die Mauern bis auf den Boden
Niedergelegt wurden, oder sollte ein Neubau nach
etwa 50 Jahren so viel erheblichere Abmessungen er-
halten haben, dass Nichts vom alten Bau erhalten
blieb? Worms bietet im Dom ein naheliegendes Bei-
spiel, dass trotz aller Umbauten die Abmessungen sich
nur unerheblich veränderten. Es liegt weiter nach
dem Stande der Technik kein Grund vor zu bezweifeln,
dass um 1030 die Ueberspannung länglicher Räume
nach Art der Kreuzgewölbe mittelst Tonne und Stich-
kappen bekannt war. Quadratische Kreuzgewölbe
"Wurden allerdings aus bekannten Gründen bevorzugt.
Die uns erhaltene Ruine Limburg ist demnach als der
Bau der Kaiser Conrad II. und Heinrich III. zu be-
trachten.
Der Plan von Limburg ist bisher Poppo v. Stablo
zugeschrieben worden auf Grund der Vita Popponis.
Als ausführender und bauleitender Architekt ist er
jedenfalls nur bis 1035 und auch innerhalb dieser
Zeit nur mit grösseren Unterbrechungen thätig ge-
wesen. Die übrigen Zeugen der umfangreichen Bau-
thätigkeit, welche er entwickelt zu haben scheint, sind
fest alle zu Grunde gegangen. Adler schreibt ihm
ausser anderem auch den Plan von Hersfeld zu. Die
Vita Popponis berichtet nur, dass er das Kloster re-
formirte und seinen Schüler Rudolf 1031 als Abt hin-
sandte, den späteren Bischof von Paderborn.
3. Die Abteikirche zu Hersfeld.
I. Geschichte. Die erhaltenen Nachrichten über
die baulichen Angelegenheiten des Klosters sind ausser-
ordentlich spärlich, obwohl uns Annalen desselben
ans dem XL s. erhalten sind21). Wie die alte 830
begonnene und 850 geweihte Kirche beschaffen war,
wissen wir nicht. Der nach dem Brand von 1038 22)
Unverzüglich in Angriff genommene Wiederherstellungs-
bezw. Neubau muss sehr energisch gefördert sein,
denn bereits 1040 konnte in Gegenwart Kaiser Hein-
sens III. die Krypta geweiht und die Reliquien des
bl. Wigbert und Lullus in dieselbe übertragen werden23).
Ueber den weiteren Fortgang des Baues fehlen alle
Nach richten. Die Verhältnisse lagen für den Neubau
21) Lamberti Hersfeldensis Annales. Mon. Germ. VII.
22) Daselbst S. 139. „Tempore ejus 1038 totum monasterium
lncendio periit".
23) S. 152 ad 1040. Dedicata est cripta Herveldensis, atque in
ea translatae sunt reliquiae sanetorum confessorum Wigberti et
Lulli.
indess wesentlich günstiger als in Limburg, wo Alles
neu geschaffen werden musste. Da die ohnehin reiche
und mächtige Abtei24) sich auch der Gunst des Kaiser-
hauses in hohem Masse erfreute20), müsste man an-
nehmen, dass der Bau, wie begonnen, rasch zu Ende
geführt wurde. Das Schiff war 1071 jedenfalls be-
nutzbar, denn in diesem Jahr wurde ein Günstling-
Kaiser Heinrichs IV., Liupoldus de Mersburg, wel-
cher unweit Hersfeld vom Pferd in sein eigenes Schwert
gefallen war, von dem über den Verlust sehr traurigen
Kaiser unter grossen Feierlichkeiten mitten im Schiff
beigesetzt, wie uns Lambert, wenn nicht als Augen-
zeuge , so doch als Zeitgenosse und Mönch in Hers-
feld berichtet26). In Folge der Verwüstung, welche
die Sachsenkriege Heinrichs IV. im Gebiet des Klosters
verursachten, verarmte dasselbe gegen Ausgang des
Jahrhunderts. Ein Brief der Mönche27), etwa 1085
verfasst28), an König Wratislaw von Böhmen legt
davon beredtes Zeugniss ab. Erst zum Jahr 1144
wird eine Weihe unter Abt Heinrich I. von Bingarten
berichtet29). 1250 fand eine Wiederherstellung statt,
1761 wurde die Kirche von den Franzosen in Brand
gesteckt und steht seitdem als Ruine.
II. Beziehungen zu Limburg. Das Hersfeld
und Limburg Gemeinsame beruht wesentlich in dem
bei beiden Kirchen zum glänzenden Ausdruck gelangten
Streben nach monumentaler Weiträumigkeit und Ge-
staltung. Im übrigen zeigt schon der Grundriss von
Hersfeld so viele Eigenthümlichkeiten, dass ohne Kennt-
niss der näheren Beziehungen schwerlich Jemand beide
Kirchen demselben Architekten zuschreiben würde.
Querschiffflügel und Chor haben fast die doppelte
Länge und der Chor ist abweichend rund geschlossen.
Ein Vierungsthurm war nicht beabsichtigt, da die
u) Im Jahre 1053 löste Kaiser Heinrieh III. eine Krone etc.
welche er dem Kloster versetzt hatte. Wenck, Urk. zum III. B.
der Hess. Landesgesch. S. 57, No. LVII. »Pro redimenda Corona
ab heruelddensi aecclesia nostrae potestati reeepta".
35) Kaiser Heinrich IV. weilte oft in Hersfeld. Am 12. Februar
1074 wurde ihm hier ein Sohn geboren. Lamb. Ann. S. 206/7.
2S) Lamb. Ann. M. G. VII. S. 185 ad 1071. (Liupoldus de
Mersburg) statimque Herveldiam reportatum, in medio ecclesiae cum
magnifica funebris officii pompa sepelivit. (Heinr. IV.)
") Bei B. Pez. Thesaurus Anecdotorum. VI, S. 292, LXXVII.
Nach Anrede und Einleitung heisst es: Ecce enim hac, quam
bellicae tempestatis rabie paulatim attriti, ad nihilum jam sumus
omnino redacti, dum in confinio positi utriusque tumultuantis po-
puli, utrobique sumus depojnüatione (expositi). Hac necessitate
compulsi, quiequid in thesauris domus Domini invenimus, vitae
consulendo totum jam consumpsimus.
28) C. Bommel. Gesch. von Hessen, 1820. 1. Theil, II. Buch,
S. 222 U. S. 187. Anmerk. No. 173 zum II. Buch.
29) J. Schneider, ßuehonia. Zeitsch. für vat. Gesch. Band IV,
S. 143 pp., S. 147. "Wenck. Urk. zum II. Band der Hess. Landes-
geschichte. S. 91, No. LXIV und Gudenus, Cod. Dipl. I, S. 156,
No. LVII.
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von unvermeidlichen Zerstörungen durch das Wetter,
zeigt das Mauerwerk nirgend erhebliche Schäden und
muss sogar als vorzüglich erhalten bezeichnet werden.
Sollte ein nicht berichteter Brand so verheerend ge-
wirkt haben, dass die Mauern bis auf den Boden
Niedergelegt wurden, oder sollte ein Neubau nach
etwa 50 Jahren so viel erheblichere Abmessungen er-
halten haben, dass Nichts vom alten Bau erhalten
blieb? Worms bietet im Dom ein naheliegendes Bei-
spiel, dass trotz aller Umbauten die Abmessungen sich
nur unerheblich veränderten. Es liegt weiter nach
dem Stande der Technik kein Grund vor zu bezweifeln,
dass um 1030 die Ueberspannung länglicher Räume
nach Art der Kreuzgewölbe mittelst Tonne und Stich-
kappen bekannt war. Quadratische Kreuzgewölbe
"Wurden allerdings aus bekannten Gründen bevorzugt.
Die uns erhaltene Ruine Limburg ist demnach als der
Bau der Kaiser Conrad II. und Heinrich III. zu be-
trachten.
Der Plan von Limburg ist bisher Poppo v. Stablo
zugeschrieben worden auf Grund der Vita Popponis.
Als ausführender und bauleitender Architekt ist er
jedenfalls nur bis 1035 und auch innerhalb dieser
Zeit nur mit grösseren Unterbrechungen thätig ge-
wesen. Die übrigen Zeugen der umfangreichen Bau-
thätigkeit, welche er entwickelt zu haben scheint, sind
fest alle zu Grunde gegangen. Adler schreibt ihm
ausser anderem auch den Plan von Hersfeld zu. Die
Vita Popponis berichtet nur, dass er das Kloster re-
formirte und seinen Schüler Rudolf 1031 als Abt hin-
sandte, den späteren Bischof von Paderborn.
3. Die Abteikirche zu Hersfeld.
I. Geschichte. Die erhaltenen Nachrichten über
die baulichen Angelegenheiten des Klosters sind ausser-
ordentlich spärlich, obwohl uns Annalen desselben
ans dem XL s. erhalten sind21). Wie die alte 830
begonnene und 850 geweihte Kirche beschaffen war,
wissen wir nicht. Der nach dem Brand von 1038 22)
Unverzüglich in Angriff genommene Wiederherstellungs-
bezw. Neubau muss sehr energisch gefördert sein,
denn bereits 1040 konnte in Gegenwart Kaiser Hein-
sens III. die Krypta geweiht und die Reliquien des
bl. Wigbert und Lullus in dieselbe übertragen werden23).
Ueber den weiteren Fortgang des Baues fehlen alle
Nach richten. Die Verhältnisse lagen für den Neubau
21) Lamberti Hersfeldensis Annales. Mon. Germ. VII.
22) Daselbst S. 139. „Tempore ejus 1038 totum monasterium
lncendio periit".
23) S. 152 ad 1040. Dedicata est cripta Herveldensis, atque in
ea translatae sunt reliquiae sanetorum confessorum Wigberti et
Lulli.
indess wesentlich günstiger als in Limburg, wo Alles
neu geschaffen werden musste. Da die ohnehin reiche
und mächtige Abtei24) sich auch der Gunst des Kaiser-
hauses in hohem Masse erfreute20), müsste man an-
nehmen, dass der Bau, wie begonnen, rasch zu Ende
geführt wurde. Das Schiff war 1071 jedenfalls be-
nutzbar, denn in diesem Jahr wurde ein Günstling-
Kaiser Heinrichs IV., Liupoldus de Mersburg, wel-
cher unweit Hersfeld vom Pferd in sein eigenes Schwert
gefallen war, von dem über den Verlust sehr traurigen
Kaiser unter grossen Feierlichkeiten mitten im Schiff
beigesetzt, wie uns Lambert, wenn nicht als Augen-
zeuge , so doch als Zeitgenosse und Mönch in Hers-
feld berichtet26). In Folge der Verwüstung, welche
die Sachsenkriege Heinrichs IV. im Gebiet des Klosters
verursachten, verarmte dasselbe gegen Ausgang des
Jahrhunderts. Ein Brief der Mönche27), etwa 1085
verfasst28), an König Wratislaw von Böhmen legt
davon beredtes Zeugniss ab. Erst zum Jahr 1144
wird eine Weihe unter Abt Heinrich I. von Bingarten
berichtet29). 1250 fand eine Wiederherstellung statt,
1761 wurde die Kirche von den Franzosen in Brand
gesteckt und steht seitdem als Ruine.
II. Beziehungen zu Limburg. Das Hersfeld
und Limburg Gemeinsame beruht wesentlich in dem
bei beiden Kirchen zum glänzenden Ausdruck gelangten
Streben nach monumentaler Weiträumigkeit und Ge-
staltung. Im übrigen zeigt schon der Grundriss von
Hersfeld so viele Eigenthümlichkeiten, dass ohne Kennt-
niss der näheren Beziehungen schwerlich Jemand beide
Kirchen demselben Architekten zuschreiben würde.
Querschiffflügel und Chor haben fast die doppelte
Länge und der Chor ist abweichend rund geschlossen.
Ein Vierungsthurm war nicht beabsichtigt, da die
u) Im Jahre 1053 löste Kaiser Heinrieh III. eine Krone etc.
welche er dem Kloster versetzt hatte. Wenck, Urk. zum III. B.
der Hess. Landesgesch. S. 57, No. LVII. »Pro redimenda Corona
ab heruelddensi aecclesia nostrae potestati reeepta".
35) Kaiser Heinrich IV. weilte oft in Hersfeld. Am 12. Februar
1074 wurde ihm hier ein Sohn geboren. Lamb. Ann. S. 206/7.
2S) Lamb. Ann. M. G. VII. S. 185 ad 1071. (Liupoldus de
Mersburg) statimque Herveldiam reportatum, in medio ecclesiae cum
magnifica funebris officii pompa sepelivit. (Heinr. IV.)
") Bei B. Pez. Thesaurus Anecdotorum. VI, S. 292, LXXVII.
Nach Anrede und Einleitung heisst es: Ecce enim hac, quam
bellicae tempestatis rabie paulatim attriti, ad nihilum jam sumus
omnino redacti, dum in confinio positi utriusque tumultuantis po-
puli, utrobique sumus depojnüatione (expositi). Hac necessitate
compulsi, quiequid in thesauris domus Domini invenimus, vitae
consulendo totum jam consumpsimus.
28) C. Bommel. Gesch. von Hessen, 1820. 1. Theil, II. Buch,
S. 222 U. S. 187. Anmerk. No. 173 zum II. Buch.
29) J. Schneider, ßuehonia. Zeitsch. für vat. Gesch. Band IV,
S. 143 pp., S. 147. "Wenck. Urk. zum II. Band der Hess. Landes-
geschichte. S. 91, No. LXIV und Gudenus, Cod. Dipl. I, S. 156,
No. LVII.