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Meyer-Schwartau, Wilhelm
Der Dom zu Speier und verwandte Bauten: (die Dome zu Mainz und Worms, die Abteikirchen zu Limburg a. Hardt, Hersfeld und Kauffungen etc.) — Berlin, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.21773#0068

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rj/j. Der Dom zu Speier.

Capitel V.
1689 —1778.

Ueber die Ereignisse des Jahres 1689, welche
nicht nur den Dom und die Stadt sondern fast die
ganze Pfalz in einen Trümmerhaufen wandelten, sind
uns viele Nachrichten erhalten. Einen wichtigen Be-
richt verdanken wir dem Statthalter des Bischofs
Johann Hugo Freiherr v. Orsbeck (1675—17II)137):
Gatard von Rollingen138), welcher bis zum letzten
Augenblick versuchte den Dom zu retten, und erst
wich, als Alles verloren war.

Seit dem 28. September 1688 waren die Fran-
zosen bereits in der Stadt und hatten übel gehaust.
Die Bürger hatten mit eigener Hand ihre Stadtmauer
und Thürme in den Graben werfen müssen, dann er-
hielten sie Befehl die Stadt zu räumen und schliesslich
eröffnete am 27. Mai139) 1689 General Monclar dem
Statthalter, dass er Befehl habe die Stadt sammt allen
Kirchen und Klöstern, den Dom ausgenommen, nieder-
zubrennen. In diesem sollten die Bürger ihre werth-
vollste Habe bergen, um sie nach dem Brand anders
wohin retten zu können. Am nächsten Tag besich-
tigte der Kriegsintendant de la Fond die Domum-
gebung. Er erklärte für nöthig, die 3 freien Seiten
des Kreuzganges nebst den anliegenden Bautheilen ab-
zubrennen und die Gewölbe und Fundamente zu
sprengen. Da die vielleicht zu erhaltende Dechanei
beim Abbrennen des Archivs nicht zu retten wäre und
durch sie der Brand auf den Dom übertragen werden
könne, schlug er vor, die Dächer der Dechanei abzu-
werfen, und ebenso den Verbindungsbau zwischen
Dom und der auch dem Untergang geweihten Pfalz
abzubrechen.

Es wurde demgemäss damit begonnen „dasjenige,
so zwischen dem Dom und des Herrn Weihbischofs

137) Seit 1676 Kurfürst von Trier.

13s) Im Kreis-Archiv zu Speier. Fase, 580a. Abgedruckt in
Schlözers Staats-Anzeiger 1789. Band XIII, Heft 51, Seite 352 ff.
Diesem Bericht ist das Nachstehende im Wesentlichen entnommen.
Nach Remling hiess Rollingen: Heinrich Hartard. Geschichte der
Bischöfe. II, S. 562.

Die Geschichte der Zerstörung auch ausführlich bei v. Geissei.
Kaiserdom, Seite 371 ff. und Remling, Geschichte der Bischöfe. II,
S. 571 ff.

I39) Nach Kuhlmann, Geschichte der Zerstörung, fand dies am
17. Mai statt, und alle anderen Daten sind demgemäss verschoben.
Der 30. Mai war der Pfingstsonntag.

Vergl. Remling. Geschichte der Bischöfe. II, Seite 573. An-
merkung 1716.

Haus, bis an den steinernen Giebel1*10)" und einen
Theil der Dechaneidächer abzuwerfen. Am 30. und
31. Mai und auch am 1. Juni wurde das Dachwerk
über dem Archiv und Kelterhaus und der Verbin dun o-s-

Ö

bau der Dechanei mit dem Dom abgebrochen sowie
auch alle übrigen nahe stehenden Gebäude und Scheunen.
Gatard v. Rollino;en liess Wasser auf den Dom trafen
und traf Massregeln zur Abwehr des Feuers. Am 30.
und 31. Mai schafften Weltliche und Geistliche ihre Habe
in den Dom.

Am 31. Mai Nachmittags zwischen 4—6 Uhr,
nachdem die Besatzung die Stadt geräumt, wurde
Feuer gelegt. Vom Weidenberg ausgehend pflanzte
sich der Brand bei ruhiger Luft bis in die Stul-Bruder-
gasse fort. Das Jesuitencolleg blieb unversehrt durch
„der Herren PP.ungemeine Gegenwehr". Am folgenden
Tage versuchte Rollingen die Jesuiten zu bewegen das
Dach ihrer Kirche abzuwerfen, da das Oolleg ohnehin
nicht zu retten sein würde, um so von dieser Seite
die Gefahr für den Dom abzuwehren. Es wurde ihm
abgeschlagen mit dem Bedeuten, dass auch der Dom
dem Untergang geweiht sei. Es wäre vermuthlich
also überflüssig gewesen, wenn von Rollingen dem ihm
von einigen Seiten ertheilten Rath folgend, bei dem
ruhigen Wetter selbst die nächsten Gebäude am Dom
abgebrannt hätte. Am Abend gegen 10 Uhr erhob
sich ein heftiges, von Sturm begleitetes Gewitter.
Das Feuer, welches sich langsam bis zum Rossmarkt
fortgesetzt hatte, griff mit rasender Geschwindigkeit
um sich, „so dass fast augenblicklich dasselbe sich von
der Jakobs-Gasse in die Heerd-Gasse, sodann gegen
den Weissen Turn und die Pfaffengasse ausbreitete".
Zwischen 11 und 12 Uhr stand der ganze Stadttheil
westlich vom Dom in Flammen und überschüttete den-
selben mit einem glühenden Feuerregen. Dreimal ge-
rieth der Glockenthurm in Brand und wurde dreimal
gelöscht „Sodann ergriff auch das Feuer den Chor-
Turn gegen die Residenz: durch grossen Fleiss wurde
auch dieser Brand gelöscht. Mittlerweil wurde in
dem Kreuzgang durch Mordbrenner Feuer angelegt,
welches die Domcapitelstuben und andere nahgelegenen
Gebäude ergriffen. Man ersah auch eine kleine Flamme
in dem Knopfe des Turns über dem Chor, man wandte

Uo) Die citirten Stellen nach v. Rollingens Bericht. Das Haus
lag dem Südgiebel der Vorhalle gegenüber.
 
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