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Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Hehl, Ernst-Dieter [Oth.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

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Lohrmann Dietrich: Das Papsttum und die Grafschaft Burgund im 11.-12. Jahrhundert
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0070

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Dietrich Lohrmann

berühmte Kloster Samt-Maurice d'Agaune, erstieg vom Rhonetal bei Martigny aus
den Großen St. Bemhardpass (2473 m), gelangte ins Aostatal und von dort nach
Mailand und Pavia. Diese Route war für Deutsche auch über Basel zu erreichen, für
Engländer, Nordfranzosen, Flamen oder Lothringer dagegen führte der Weg über
den Col de Jougne. Auf den Straßen zu ihm, auf dem Hin- wie dem Rückwege, zo-
gen Rom- und Italienreisende jeder Art, von irischen oder angelsächsischen Pilgern
bis zu Bischöfen, Äbten, Pröpsten, Prozessverwaltern und Laien, einige Päpste und
ihre Legaten nicht zu vergessen.
Wer die Landschaft am Genfer See vermeiden mußte - wie einst König Hein-
rich IV. im Januar 1077, oder 1164 Juni-Juli in Gegenrichtung der aus Italien entlasse-
ne Kanzler Rainald von Dassel auf dem Weg von Mailand nach Köln, in Begleitung
der aus Mailand entführten Reliquien der heiligen Dreikönige -, der kreuzte bei Be-
sanyon die Route zum Col de Jougne. Er folgte, von der Burgundischen Pforte aus
gesehen, dem Lauf des Doubs, erreichte das Saöne- und Rhonetal und wählte dann
einen der westlichen Alpenpässe, der ihn hinüber ins Gebiet von Turin führte.
Die oft berufene strategische Bedeutung der Grafschaft Burgund ergibt sich aus
diesen Verkehrsverhältnissen; sie erklärt zugleich die wache Aufmerksamkeit, wel-
che Päpste wie Kaiser und Könige diesem Raum zuwenden mußten. Es war eine eu-
ropäische Verkehrslandschaft von höchster Bedeutung, zudem nahe an der Grenze
des mittelalterlichen Kaiserreiches nach Frankreich gelegen und damit auch kir-
chenpolitisch ein hochsensibler Raum. Die nachfolgenden Skizzen versuchen, eini-
ge von diesen Aspekten konkret herauszuarbeiten. Die entsprechende Urkunden-
dokumentation für die Beziehungen zum Papsttum enthält der Ende 1998 erschie-
nene Regestenband.

I. Der Streit der konkurrierenden Domkapitel
Als eine auffällige Besonderheit leistete sich die mittelalterliche Diözese Besanyon
fast zwei Jahrhunderte lang zwei konkurrierende Domkapitel in der gleichen Bi-
schofsstadt. In hellen Flammen stand dieser Streit vor allem während der beiden er-
sten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts. Der einzige Papst, der aus der Grafschaft
Burgund selbst stammt, dem Grafenhause sogar persönlich zugehörte, Papst
Calixt II. (1119-24), hat das heißeste Feuer, wenn ich so sagen darf, in einer energi-
schen Aktion erstickt. Trotzdem glimmte es weiter bis zum Ende des Jahrhunderts
und wurde gänzlich ausgelöscht erst 1253 durch die dann verfügte Vereinigung der
beiden Kapitel einschließlich ihrer Güter und Archive.
Die Anfänge dieses Streites reichen zurück in die Zeit des bedeutendsten Erzbi-
schofs, den die Diözese gekannt hat, Hugo I. aus dem Hause der Herren von Salins
(1031-1066). Nicht ohne Grund widmete seiner Gestalt schon Paul Kehr 1930 eines
seiner vier Kapitel zur Geschichte Kaiser Heinrichs III.3. Hugo von Salins war für
ihn nicht nur Garant der Kontinuität in der burgundischen Königskanzlei, indem er
die Leitung dieser Kanzlei auch unter den nachfolgenden Salierherrschem,

3 Paul Kehr, Vier Kapitel zur Geschichte Kaiser Heinrichs III., Abhandlungen der Preußischen
Akademie der Wissenschaften 1930, phil.-hist. Klasse Nr. 3; Neudruck im Anhang zu Ernst
Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich HI., Bd. 2, Darmstadt 1963,
S. 555-615.
 
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