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Kapitel 5
erschien unerschütterlich.'^ Doch zeigte die verhaltene Reaktion der relevanten
„Öffentlichkeit" die gedämpfte Akzeptanz seines Vorgehens, und in dieser Unsi-
cherheit liegt wohl der Grund dafür, dass das Bemühen um die Legitimation im
Verlauf des 14. Jahrhunderts dazu führte, dass die Gegner des Königs in England
Elemente des Absetzungsverfahrens gegen Friedrich II. nun gegen ihren König
einsetzten. Wir werden sehen, wie das Bedürfnis nach Legitimation in Krisensitua-
tionen die Rezeption der schriftlichen Rechtstradition beförderte.'^ Für Inno-
zenz IV. waren die schriftlichen Rechtsverleihungen, die er bei der Absetzung des
Kaisers zitiert hatte, so wichtig, dass er sie - und andere für die Kurie wichtige
Privilegien - noch während des Konzils kopieren ließ. Es entstanden mindestens
zwei Serien von jeweils 17 Pergamentrotuli: ein Arbeitsarchiv, das auch in Krisen-
zeiten verfügbar warü Innozenz wollte vorbereitet sein.
Der selbstgewisse und formal geschlossene Auftritt der Kurie in der Mitte des
13. Jahrhunderts beunruhigte die Zeitgenossen allerdings ebensosehr, wie er sie
beindruckte. Mochte man im weiteren Verlauf der Geschichte das päpstliche Ab-
setzungsurteil von 1245 in England gegen den eigenen König verwenden, so rea-
gierten englische Geistliche alarmiert, als Heinrich III. die Möglichkeit andeutete,
sich an der päpstlichen Herrschaftspraxis zu orientieren.'" Die Praxis der päpstli-
chen Kurie, möglichen Überschneidungen erteilter Privilegien durch die non oh-
sfnnfg-Klausel zu begegnen, erschien kritischen englischen Beobachtern als könig-
liche Praxis nicht tragbar und eine entsprechende Absichtserklärung Heinrichs III.
provozierte eine scharfe Zurückweisung.'^ Tatsächlich strebte das Papsttum in
dem halben Jahrhundert vom Amtsantritt Innozenz' III. bis zum Kampf Inno-
zenz' IV. gegen den Stauferkaiser nach einer Herrschaftsposition in der Christen-
heit, die man je nach Standpunkt eindrucksvoll oder beunruhigend nennen konn-
13 Vgl. v.a. seinen Kommentar zu seinem eigenen Vorgehen, Apparatus in V libros decretali-
um 11.27.27, Frankfurt 1579, fol. 316v-317v, besonders sub verbum prionnzas.
14 Vgl. dazu unten insbesondere zur Absetzung Richards II.
15 Vgl. dazu H. BRESSLAU, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1,
3. Aufl. Berlin 1958, S. 155f. (mit weiterer Lit. in Anm. 7). Eine Kopienserie verblieb bei der
Kurie, eine wurde im Kloster Cluny hinterlegt, von beiden sind noch Teile erhalten.
16 Vgl. Matthaeus Parisiensis, Chronica maiora, Bd. 5, ed. Luard, S. 339; vgl. dazu auch KAUF-
HOLD, Deutsches Interregnum, S. 115f. Der zitierte Magister der Hospitaliter und der Chro-
nist selber waren Ordensleute, zu Matthaeus Parisiensis vgl. R. VAUGHAN, Matthew Paris,
Cambridge 1958; K. SCHNITH, England in einer sich wandelnden Welt (1189-1259). Studien
zu Roger Wendover und Matthaeus Parisiensis, Stuttgart 1974; A. GRANSDEN, Historical Wri-
ting in England, Bd. 1, London 1974, S. 356-379.
17 Vgl. den Wortwechsel zwischen Heinrichs III. und einem Magister des Hospitaliter über die
Rechte des Ordens: Nonne donnnns Papa ^nando^ne, nnmo znMÜoiiens, JäciMzn saam reuocai... Sic
ei ego in/ÜMgan! iranc ei alias carias, ^nas praedecessores ?nei ei ego lenzere concessinzMS. ... Qnid esi
^nod dicis, donüne rex. A&sif, Mi in ore iMO reciieiMr doc uer^anz iüepidMM! ei aizsMrdMnz; Matthaeus
Parisiensis, Chronica maiora, Bd. 5, ed. Luard, S. 339. Zur non ohsianie-Formel vgl. O. HAGE-
NEDER, Probleme des päpstlichen Kirchenregiments im hohen Mittelalter. Ex certa scientia,
non obstante (Lectiones eruditorum extraneorum in Facultate Philosophica Universitatis Ca-
rolinae Pragensis factae 4), Prag 1995.
Kapitel 5
erschien unerschütterlich.'^ Doch zeigte die verhaltene Reaktion der relevanten
„Öffentlichkeit" die gedämpfte Akzeptanz seines Vorgehens, und in dieser Unsi-
cherheit liegt wohl der Grund dafür, dass das Bemühen um die Legitimation im
Verlauf des 14. Jahrhunderts dazu führte, dass die Gegner des Königs in England
Elemente des Absetzungsverfahrens gegen Friedrich II. nun gegen ihren König
einsetzten. Wir werden sehen, wie das Bedürfnis nach Legitimation in Krisensitua-
tionen die Rezeption der schriftlichen Rechtstradition beförderte.'^ Für Inno-
zenz IV. waren die schriftlichen Rechtsverleihungen, die er bei der Absetzung des
Kaisers zitiert hatte, so wichtig, dass er sie - und andere für die Kurie wichtige
Privilegien - noch während des Konzils kopieren ließ. Es entstanden mindestens
zwei Serien von jeweils 17 Pergamentrotuli: ein Arbeitsarchiv, das auch in Krisen-
zeiten verfügbar warü Innozenz wollte vorbereitet sein.
Der selbstgewisse und formal geschlossene Auftritt der Kurie in der Mitte des
13. Jahrhunderts beunruhigte die Zeitgenossen allerdings ebensosehr, wie er sie
beindruckte. Mochte man im weiteren Verlauf der Geschichte das päpstliche Ab-
setzungsurteil von 1245 in England gegen den eigenen König verwenden, so rea-
gierten englische Geistliche alarmiert, als Heinrich III. die Möglichkeit andeutete,
sich an der päpstlichen Herrschaftspraxis zu orientieren.'" Die Praxis der päpstli-
chen Kurie, möglichen Überschneidungen erteilter Privilegien durch die non oh-
sfnnfg-Klausel zu begegnen, erschien kritischen englischen Beobachtern als könig-
liche Praxis nicht tragbar und eine entsprechende Absichtserklärung Heinrichs III.
provozierte eine scharfe Zurückweisung.'^ Tatsächlich strebte das Papsttum in
dem halben Jahrhundert vom Amtsantritt Innozenz' III. bis zum Kampf Inno-
zenz' IV. gegen den Stauferkaiser nach einer Herrschaftsposition in der Christen-
heit, die man je nach Standpunkt eindrucksvoll oder beunruhigend nennen konn-
13 Vgl. v.a. seinen Kommentar zu seinem eigenen Vorgehen, Apparatus in V libros decretali-
um 11.27.27, Frankfurt 1579, fol. 316v-317v, besonders sub verbum prionnzas.
14 Vgl. dazu unten insbesondere zur Absetzung Richards II.
15 Vgl. dazu H. BRESSLAU, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1,
3. Aufl. Berlin 1958, S. 155f. (mit weiterer Lit. in Anm. 7). Eine Kopienserie verblieb bei der
Kurie, eine wurde im Kloster Cluny hinterlegt, von beiden sind noch Teile erhalten.
16 Vgl. Matthaeus Parisiensis, Chronica maiora, Bd. 5, ed. Luard, S. 339; vgl. dazu auch KAUF-
HOLD, Deutsches Interregnum, S. 115f. Der zitierte Magister der Hospitaliter und der Chro-
nist selber waren Ordensleute, zu Matthaeus Parisiensis vgl. R. VAUGHAN, Matthew Paris,
Cambridge 1958; K. SCHNITH, England in einer sich wandelnden Welt (1189-1259). Studien
zu Roger Wendover und Matthaeus Parisiensis, Stuttgart 1974; A. GRANSDEN, Historical Wri-
ting in England, Bd. 1, London 1974, S. 356-379.
17 Vgl. den Wortwechsel zwischen Heinrichs III. und einem Magister des Hospitaliter über die
Rechte des Ordens: Nonne donnnns Papa ^nando^ne, nnmo znMÜoiiens, JäciMzn saam reuocai... Sic
ei ego in/ÜMgan! iranc ei alias carias, ^nas praedecessores ?nei ei ego lenzere concessinzMS. ... Qnid esi
^nod dicis, donüne rex. A&sif, Mi in ore iMO reciieiMr doc uer^anz iüepidMM! ei aizsMrdMnz; Matthaeus
Parisiensis, Chronica maiora, Bd. 5, ed. Luard, S. 339. Zur non ohsianie-Formel vgl. O. HAGE-
NEDER, Probleme des päpstlichen Kirchenregiments im hohen Mittelalter. Ex certa scientia,
non obstante (Lectiones eruditorum extraneorum in Facultate Philosophica Universitatis Ca-
rolinae Pragensis factae 4), Prag 1995.